Fachstellungnahme

Stellungnahmen des 47. Feministischen Juristinnentages

Resolutionen

Resolution des 47. FJT anlässlich der feministischen Proteste in Iran

Der FJT solidarisiert sich mit der feministischen Revolution im Iran und fordert die sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen im Iran.

Wir fordern, dass das Auswärtige Amt in seinen Lageberichten zu asyl- und abschieberelevanten Situationen die Berichte folgender Organisationen berücksichtigt:
- Hengaw Organization for Human Rights
- HRANA (Human Rights Activists News Agency)
- Center for Human Rights in Iran

Außerdem fordern wir, dass das Auswärtige Amt sowie die Botschaft der Bundesrepublik
Deutschland im Iran spezifisch die Situation von Frauen*, die an den Protesten teilnehmen,
beobachtet und die Erkenntnisse zeitnah in ihre Berichte aufnimmt.

Resolution des 47. FJT zu den Forderungen afghanischer Frauen

Wir unterstützen die Forderungen der afghanischen Frauen an Deutschland und die Weltgemeinschaft anlässlich des 47. Feministischen Juristinnentags.

Forderung der afghanischen Frauen anlässlich des 47. FJT

Durch die drakonische Politik der Taliban werden Millionen Afghaninnen und Afghanen seit deren erneuten Machtübernahme im August 2021 ihres Rechts auf ein sicheres, freies und würdiges Leben beraubt. Nach dem fluchtartigen Abzug westlicher Kräfte entwickelte sich das Land binnen weniger Monate zum frauenfeindlichsten Land der Welt. Die dort lebenden Menschen, die sich in den vorangegangenen 20 Jahren für Demokratie und Menschenrechte eingesetzt, mit westlichen Kräften zusammengearbeitet oder einen westlichen Lebensstil angenommen haben, wurden schutzlos zurückgelassen, bedroht durch die menschen- und freiheitsfeindlichen Taliban.

In Afghanistan herrscht eine Art Gender-Apartheid. Frauen haben ihr Recht auf Bildung, politische Teilhabe, Ausübung eines Berufes verloren. In allen Lebensbereichen werden sie diskriminiert, unterdrückt und aus dem öffentlichen Leben gedrängt. Sie dürfen nicht reisen, keinen Sport treiben, nicht einmal Parks oder öffentliche Bäder besuchen. Stattdessen drohen ihnen bei Verstößen gegen die drakonischen Dekrete der Taliban Auspeitschungen und Steinigungen.

Als unsere Verpflichtung sehen wir:

  • Wir Frauen bitten alle fortschrittlichen Afghaninnen und Afghanen inner- und außerhalb Afghanistans dazu beizutragen, miteinander in den Dialog zu gehen. Wir wollen mit Ihrer Unterstützung Konferenzen und Treffen organisieren, Diskurse führen und Ideen austauschen, um auf der Grundlage kollektiver Entscheidungen und zusammen mit der internationalen Gemeinschaft den Kampf gegen die Geschlechterdiskriminierung, die sich in unserem Land leider in eine sichtbare Geschlechter-Apartheid verwandelt hat, zu führen.
  • Wir müssen eine Alternative zu dem derzeitigen politischen Zustand in Afghanistan entwickeln. Ziel muss sein, ein legitimes System nach dem Willen des Volkes zu errichten, das auf einer demokratischen Verfassung und auf den Menschenrechten basiert. Afghanische Frauen können in diese Richtung voranschreiten und die Führung und Organisation des Dialogs übernehmen.
  • Wir fordern die afghanischen Frauen auf, sich mit den aufgeklärten afghanischen Kräften zu solidarisieren, indem sie Streiks, Bürgerproteste und „zivilen Ungehorsam“ starten, um so Druck auf die De-facto-Regierung der Taliban auszuüben.
  • Um die Realisierung dieser Verpflichtungen benötigen wir die Solidarität der Frauen weltweit.
    Deshalb appellieren wir an Deutschland und an die Weltgemeinschaft:
  • Nutzen Sie Ihre kollektive politische, diplomatische und finanzielle Macht und Ihren globalen Einfluss, um Druck auf die Taliban auszuüben, damit sie einen inklusiven politischen Prozess einleiten und die Menschenrechte aller Menschen respektieren.
  • Stellen Sie sicher, dass afghanische Frauen bei allen Debatten, Treffen und Konferenzen, die ihr Land und ihre Zukunft betreffen, vertreten sind und dass sie an allen Entscheidungsprozessen (strategisch, programmatisch und politisch), die Afghanistan betreffen, angemessen beteiligt werden.
  • Stellen Sie sicher, dass Ihre Regierung nicht aufhört, von Taliban die Respektierung der Rechte der Frauen auf alle Bereiche wie ihr Recht auf Bildung, politische Teilhabe, Ausübung eines Berufes zu fördern.
  • Stellen Sie Plattformen bereit für zivile und politische Gruppen, die sich für eine inklusive Vision für die Zukunft Afghanistans auf der Grundlage des Schutzes und der Förderung der Menschenrechte einsetzen.
  • Afghanische Schutzsuchende, die in Nachbarländer fliehen mussten und dort oft von Abschiebung nach Afghanistan bedroht sind, sind in das Bundesaufnahmeprogramm einzubeziehen;
  • Mehr als nur 1.000 Personen monatlich müssen aufgenommen werden, um der tatsächlichen Anzahl der Bedrohten gerecht zu werden;
  • Die Aufnahme höchst gefährdeter Personen ist in dringenden Einzelfällen durch Erteilung von humanitären Visa nach § 22 S. 2 AufenthG neben einem Bundesaufnahmeprogramm fortzuführen;
  • Das Ortskräfteverfahren ist so zu reformieren, dass alle Bedrohten, die für Deutschland gearbeitet haben, Schutz finden, unabhängig davon, wie weit die Tätigkeit zurückliegt. Der Begriff Ortskraft muss auch ehrenamtliche oder angeblich selbständige Tätigkeiten für deutsche Institutionen, Organisationen und (Sub-)Unternehmen umfassen;
  • Der Prozess der Familienzusammenführung aus Afghanistan, der inzwischen fast zum Erliegen gekommen ist, ist zu vereinfachen und zu beschleunigen. Darüber hinaus sollte der Begriff der Familien alle tatsächlich bedrohten Familienmitglieder umfassen, die unter einem Dach leben oder gewohnt haben, unabhängig von der Altersgrenze.
  • Den Familienangehörigen von in Deutschland lebenden ehemaligen Ortskräften, die sich noch in Afghanistan aufhalten, ist die Aufnahme nach Deutschland zu ermöglichen.
  • Afghanischen Menschen ist in Deutschland dauerhaften Schutz zu gewähren. Z.B. müssen afghanische Frauen aufgrund der geschlechtsspezifischen Verfolgung die Flüchtlingseigenschaft erhalten, so wie es jüngst die Europäische Asylagentur (EUAA) gefordert hat.

Resolution des 47. FJT zu den bundes- und europarechtlichen Vorhaben im Digitalrecht

Datenbasierte Technologien sind eine politische Entscheidung.

Wir verweigern technologischen Determinismus. Digitalisierung ist gestaltbar. Es gibt mehr als EINE Zukunft mit datenbasierten Technologien.

Wir verweigern technologischen Solutionismus.

Nicht jedes soziale, ökologische Problem lässt sich durch Digitalisierung lösen. Datafizierte soziale Ungleichheit lässt sich nicht wegprogrammieren. Wir wollen Daten einsetzen, um strukturelle Probleme sichtbar zu machen und die zugrundeliegenden Machtverhältnisse zu enttarnen.

Subjektive Rechte müssen durchsetzbar sein. Es braucht kollektives Daten- und Antidiskriminierungsrecht. Die informierte Nutzung Einzelner kann das nicht ersetzen.

Individuelle Rechte reichen nicht. Recht muss die Bedingungen für demokratische, digitale Infrastrukturen und partizipatives Design schaffen.

Wir fordern eine feministisch-intersektionale Daten- und Digitalpolitik. Der Einsatz von Digitalisierung ist immer im Kontext seiner sozialen Wirklichkeiten zu sehen.

Fachstellungnahmen

Fachstellungnahme der AG „Probleme bei der Vollstreckung von Gewaltschutzanordnungen“ anlässlich des 47. FJT

Die Vollstreckung der Schutzanordnungen nach § 1 GewSchG sollte nicht nach ZPO-Regeln erfolgen, sondern – etwa entsprechend § 89 FamFG – von Amts wegen.

Amtsermittlung auch im Vollstreckungsverfahren, keine Beschränkung auf Beweismittel der ZPO.

Routinemäßige Berichte der Polizei über Einsätze wegen Verstoßes gegen Gewaltschutzanordnungen an das Prozessgericht.

Erweiterung von Notruf-Apps au die Aufnahme der gerichtlichen Schutzverfügungen.

(Auch im Eilverfahren?) keine Befristung von Maßnahmen gegen den Stalker, es sei denn, dieser kann weitere Verfolgung nachweislich ausschließen.

Fachstellungnahme des 47. FJT zur Live-In-Betreuung durch Arbeitsmigrantinnen

Die missachtete, ungeregelte, systemrelevante Pflegeform der “Live-in-Care“ (sog. häuslichen Rund-um-die-Uhr-Betreuung) muss gesetzlich als Gesamtkonzept geregelt werden. Die Ausbeutung der äußerst prekär fast ausschließlich aus dem mittel- und osteuropäischen EU-Ausland pendelnden Betreuerinnen muss dringend beendet werden. Ein Kernpunkt ist dabei das Verhalten der „entsendenden“ Agenturen in einem EU-Mitgliedstaat und deren Unkontrollierbarkeit durch deutsche Behörden.

Die überwiegende Anzahl der Betreuer*innen sind weisungsabhängig und nur in einem Haushalt tätig. Sie sind faktisch Arbeitnehmer*innen; Selbstständigkeit ist de facto nicht gegeben. Um die Betreuer*innen arbeitszeitrechtlich und arbeitsschutzrechtlich abzusichern, ist ein Arbeitgebenden-Modell vorzugsweise bei einem öffentlichen Träger notwendig. Erforderlich wären Regelungen im Gewerberecht für die Beschäftigung von Betreuungskräften, die im Privathaushalt eingesetzt werden.

Darüber hinaus sind verdachtsunabhängige Kontrollen durch die Aufsichtsbehörden erforderlich, lösen jedoch die Problematik nicht.

Es gibt bereits jetzt in anderen Bereichen Konstellationen wie im Teilhaberecht die persönliche Assistenz, die als Vorbild dienen können. Hier existiert die Team-/Mixlösung, d.h. die Assistenz im Schichtsystem, die auch bei der Live-in-Care in Frage kommt. Eine häuslichen Rund-um-die-Uhr-Betreuung ist menschlich und arbeitsrechtlich nicht von einer Person leistbar. Hierfür sind Modelle eines Betreuungsmix mit professioneller Beratung mit einem Betreuungsplan aufzustellen, die einen Schutz für alle Beteiligten gewähren.

Fachstellungnahme des 47. FJT zum „Referentenentwurf eines Gesetzes über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag und zur Änderung weiterer Vorschriften“ des BMFSFJ und des BMJ vom 9.

Der 47. FJT begrüßt das Vorhaben von BMFSFJ und BMJ ein einheitliches, selbstbestimmtes und behördliches Verfahren zur Änderung des personenstandsrechtlichen Geschlechtseintrages und Vornamens unter dem Selbstbestimmungsgesetz einzurichten.
Bereits der 44. sowie der 45. FJT haben die Bundesregierung aufgefordert, die Eintragung und Änderung des Geschlechtseintrages ausschließlich auf Grundlage der Selbstidentifikation zu regeln. Wir bedauern, dass die von uns geforderte Schaffung eines Gesetzes, wonach der Geschlechtseintrag nach der Geburt für alle Menschen offen gelassen wird verbunden mit dem individuellen Recht, das selbstbestimmte Geschlecht auf Erklärung gegenüber dem Standesamt in das Personenstandsregister eintragen zu lassen, nicht im Referentenentwurf vom 9. Mai 2023 berücksichtigt wurde.
Dennoch begrüßt der 47. FTJ die Abschaffung des veralteten und pathologisierenden und menschenrechtswidrigen Transsexuellengesetzes. Um das Recht auf Anerkennung der selbstbestimmten geschlechtlichen Identität (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie die Wertungen des Diskriminierungsverbotes in Art. 3 Abs. 3 S. 1 angemessen zu berücksichtigen, fordert der FJT die Bundesregierung auf, an einigen Stellen des vorgelegten Entwurfes nachzubessern.

1. Aufgeschobene Wirksamkeit der Erklärung
Der FJT fordert, die in § 4 SBBG vorgesehene aufgeschobene Wirksamkeit der Erklärung aus dem Gesetzesentwurf zu streichen. Die dreimonatige Verzögerung für die Anerkennung der geschlechtlichen Identität ist mit dem grundgesetzlich garantierten Selbstbestimmungsrecht in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren und auch aus Gleichheitsgesichtspunkten zu kritisieren. Es bedarf an dieser Stelle keine „Überlegungs- und Reflexionsfrist“.

2. Zugang für Minderjährige
Der FJT fordert, dass der Zugang von Minderjährigen zu dem Verfahren unter dem Selbstbestimmungsgesetz entsprechend ihrer wachsenden Autonomiefähigkeit gewährleistet wird. Hierfür sollte für über 14-Jährige auf die Zustimmung der Sorgeberechtigten verzichtet werden.

3. Offenbarungsverbot
Der FJT begrüßt, dass das bereits im TSG vorgesehene Offenbarungsverbot im Rahmen des Selbstbestimmungsgesetzes mit einer entsprechenden Bußgeldvorschrift effektuiert werden soll. Da die Ordnungswidrigkeit jedoch nur für ein vorsätzliches Handeln mit Schädigungsabsicht gelten soll, befürchten wir, dass kein effektiver Schutz gewährleistet wird. Der FJT fordert, die vorgesehene Schädigungsabsicht aus der Norm zu streichen und bereits fahrlässiges Handeln mit einem Bußgeld zu belegen. Schließlich sollte der Tatbestand auf alle Fälle erweitert werden, in denen frühere Vornamen und/oder Geschlechtseinträge von Personen in diskriminierender und/oder schädigender Absicht verwendet wird (sog. Deadnaming).

4. Abstammungsrecht
Der FJT fordert, die von der Bundesregierung angekündigte Reform des Abstammungsrechts zügig voranzubringen. Verwiesen wird dafür auf die Fachstellungnahme des 45. FJT zum Abstammungsrecht.
Der FJT fordert die Eltern-Kind-Zuordnung für alle Kinder unabhängig vom Geschlecht der Eltern zu gewährleisten. Eine Rebiologisierung des Abstammungsrechts – wie es der Entwurf hier vorsieht – lehnen wir ab. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass nicht eine Person ein Kind zeugt mit Samenzellen, sondern die Zeugung eines Kindes mindestens zwei Personen voraussetzt.

5. Abbau von Diskriminierungen und Gewährleistung gleichberechtigter Teilhabe
Der FJT fordert, Diskriminierungen von trans- und intergeschlechtlichen sowie nicht-binären Personen in allen Lebensbereichen zu beenden und die gleichberechtigte Teilhabe zu gewährleisten. Hierfür sind grundrechtskonforme Konzepte insbesondere für die Nutzung von Toiletten und die Unterbringung im Justizvollzug zu erarbeiten.
Der FJT fordert, die Regelungen des § 6 Abs. 2 und 3 SBGG zu streichen.

6. Übergangsvorschriften
In § 15 Abs. 2 SBGG liegt ein offensichtliches Redaktionsversehen vor. Auch das Offenbarungsverbot nach § 13 SBGG und die Bußgeldvorschriften nach § 14 SBGG müssen entsprechend für Änderungen des Geschlechtseintrags und Vornamen nach dem TSG oder dem PStG gelten.

Fachstellungnahme der AG 2.6.: „Gewaltschutz in besonderen Wohnformen für Frauen mit Behinderungen“ beim 47. FJT

Frauen mit Behinderungen sind in besonderem Maße von psychischer, physischer, sexualisierter und struktureller Gewalt bedroht und betroffen. Sie erhalten in Deutschland bisher aber keinen gleichberechtigten Zugang zu medizinischer und psychosozialer Unterstützung und zur Justiz. Mit der Ratifikation der UN-Behindertenrechtskonvention und des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt („Istanbul-Konvention“) hat sich Deutschland verpflichtet, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um Frauen effektiv vor allen Formen der Gewalt zu schützen, bestehende Diskriminierungen abzubauen und auch Frauen mit Behinderungen einen gleichberechtigten und wirksamen Zugang zum Recht zu verschaffen. Dabei haben sie der Gefahr mehrdimensionaler Diskriminierung Rechnung zu tragen, z.B. dem Umstand, dass ein hoher Anteil der Frauen, die wohnungslos bzw. geflüchtet sind, zur Gruppe der Frauen im Behinderungen zählen.

Die Regierungsparteien SPD, B‘90/Die Grünen und FDP hatten 2020 in ihrem Koalitionsvertrag die Entwicklung einer ressortübergreifenden Strategie gegen Gewalt angekündigt. Diese wird vom FJT sehr begrüßt. Wie die Expert*innengruppe des Europarats für Maßnahmen gegen Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt (GREVIO) hält auch der FJT diese Gesamtstrategie für unabdingbar. In ihrem ersten Bericht zur Umsetzung der Istanbul-Konvention in Deutschland identifizierte GREVIO zahlreiche Schutzlücken hin und wies darauf hin, dass diese bestimmte Gruppen, darunter Frauen mit Behinderungen, in besonderem Maße treffen.

Um diese Schutzlücken zu schließen, fordern wir die politisch Verantwortlichen auf,

1) die angekündigte Gesamtstrategie unter Beteiligung der Interessenvertretungen behinderter Frauen voranzubringen und die in Art.10 Istanbul-Konvention vorgesehene nationale Koordinierungsstelle einzurichten,
2) Standardverfahren zur systematischen und geschlechtersensiblen Risikobewertung und eines Sicherheitsmanagements für alle beteiligten Stellen zu entwickeln, die auch den Lebens- und Gefährdungslagen behinderter, wohnungsloser und geflüchteter Frauen Rechnung tragen,
3) gemeinsam mit den Bundesländern dafür Sorge zu tragen, dass Frauen mit Assistenzbedarf und Frauen ohne sichere und gesicherte Unterkunft nicht länger faktisch oder rechtlich gezwungen werden, in einem gewaltgeprägten Umfeld bzw. in besonderen Wohnformen (z.B. Einrichtungen) zu leben, in denen sie systembedingt einem besonders hohen Risiko der personalen und strukturellen Gewalt ausgesetzt werden. Sie müssen bei der kommunalen Wohnraumversorgung bevorzugt berücksichtigt werden und Zugang zu den gemeindenahen Unterstützungsleistungen einschließlich der persönlicher Assistenz erhalten, die sie benötigen, um ihr Recht auf eine unabhängige und sichere Lebensführung verwirklichen zu können (Art.19 UN-BRK),
4) den flächendeckenden Ausbau und die auskömmliche Finanzierung der Fachberatungsstellen, Frauenhäuser und anderen Schutzeinrichtungen sowie deren barrierefreie Auffindbarkeit, Zugänglichkeit und Nutzbarkeit sicherzustellen,
5) den gleichberechtigten, barrierefreien Zugang behinderter, wohnungsloser und geflüchteter Frauen zu Traumaambulanzen und psychotherapeutischer und traumapädagogischer Versorgung zu sichern,
6) das Gewaltschutzgesetz weiterzuentwickeln, damit es künftig auch zum Schutz dieser völkerrechtlich als besonders schutzbedürftig geltenden Gruppen Anwendung findet, insbesondere durch
a. Erweiterung des § 2 GewSchG auf gemeinschaftliche Wohnformen, in denen Pflege- oder Betreuungsleistungen erbracht bzw. wohnungslose oder geflüchtete Menschen untergebracht werden,
b. Gewährleistung flankierender Maßnahmen, auf die die Gruppen der besonders schutzbedürftigen Personen angewiesen sind. Dazu zählen insbesondere die Sicherung der Notfallassistenz und -pflege für Frauen, die bisher auf die Pflege durch den gewalttätigen Partner angewiesen sind und die Aufhebung bzw. Anpassung der Wohnsitznahmeverpflichtung für asylsuchende Frauen.
7) sicherzustellen, dass das Gewaltschutzgesetz auch zum Schutz vor Tätern Anwendung findet, die als schuldunfähig gelten, durch
a. Streichung des § 1 Abs.3 GewSchG
b. Aufnahme einer Regelung in §§ 885 und 890 ZPO, wonach zum Zwecke des Gewaltschutzes angeordnete Unterlassungen, Duldungen und Räumungen auch gegen schuldunfähige Schuldner*innen vollstreckt werden können.
8) sicherzustellen, dass die Träger von Einrichtungen und Diensten der sog. Behindertenhilfe und Pflege, der Wohnungslosenhilfe und von Aufnahmeeinrichtungen für geflüchtete Menschen alle zum Schutz vor Gewalt erforderlichen Maßnahmen treffen (können), insbesondere durch
a. konkrete Standards, wie Grenzverletzungen und Machtmissbrauch vorzubeugen ist, und wie durch Prävention Übergriffe verhindert werden können,
b. Gewaltschutzkonzepte müssen kontinuerlich als Organisationsentwicklungsprozesse verstanden und durch internes und externes qualifiziertes Fachpersonal begleitet und entwickelt werden.
c. gesetzliche Klarstellung, dass zum Zwecke des Gewaltschutzes Arbeits-, Werkstatt- und Wohn- und Betreuungsverträge mit Tätern gekündigt werden können, selbst wenn diese als schuldunfähig gelten, sofern nicht anderweitig eine räumliche Trennung sichergestellt werden kann;
d. gesetzliche Klarstellung, dass in dem unter c) beschiebenen Fall die Sozialleistungsträger weiterhin für eine angemessene Unterbringung und Versorgung verantwortlich sind und hierfür geeignete Wohnformen vorzuhalten haben;
e. gesetzliche Klarstellung, wie die Träger bei drohender Gefährdung von Nutzer*innen durch andere Nutzer*innen oder Mitarbeitende vorzugehen haben und wie hierbei die Rechte der Betroffenen auf Verschwiegenheit und Datenschutz sowie die Rechte der Gefährder*innen aus Arbeits-, Werkstatt- oder Wohn- und Betreuungsvertrag gegeneinander abzuwägen sind.

Strafverfahren müssen so ausgestaltet sein, dass Frauen mit Behinderungen, die Gewalt erlebt haben, auch bei Aussage-gegen-Aussage-Situationen einen Zugang zu effektiver Strafverfolgung haben.
Hierzu bedarf es

9) des barrierefreien Zugangs verletzter Zeug*innen zu Einrichtungen der vertraulichen Beweissicherung und zum Strafverfahren;
10) der Reduzierung der momentan erheblichen Verfahrensdauer im Strafverfahren;
11) der standardmäßigen audiovisuellen Aufzeichnung der polizeilichen Vernehmungen von Zeuginnen mit Lernschwierigkeiten (sog. geistiger Behinderung), wenn diese damit einverstanden sind. Nur so kann später im Rahmen einer aussagepsychologischen Begutachtung geprüft werden, ob etwaige Widersprüche durch behinderungsspezifisches Aussageverhalten erklärbar sind und gerade nicht gegen eine Erlebnisbasiertheit sprechen;
12) der Qualifizierung der Vernehmungspersonen bei Polizei und Staatsanwaltschaft und der Richter*innenschaft im Umgang mit behinderten Menschen, um sie in die Lage zu versetzen, die Verfahren barriere- und diskriminierungsfrei zu gestalten und die Aussagen korrekt zu bewerten. Wir fordern daher verpflichtende Fortbildungen. Dies gilt auch für Sachverständige, die psychiatrische und aussagepsychologische Begutachtungen durchführen;
13) des Einsatzes angemessener, nicht diskriminierender Testverfahren: Menschen mit Beeinträchtigungen sind altersadäquat zu begutachten. Die Anwendung des sogenannten „Kramer-Tests“ zur Glaubhaftigkeitsbegutachtungen Jugendlicher und Erwachsener muss beendet werden.

Stellungnahmen des 46. Feministischen Juristinnentages

1. Fachstellungnahme des 46. FJT zu strukturellen Problemen bei der Rechtsdurchsetzung

„Das Recht steht im Schaufenster – kaufen muss man es können!“ (Malin Bode) Frauen begegnen bei der Rechtsdurchsetzung vielen Hindernissen, von fehlenden Informationen über die Kosten und Individualisierung gesellschaftlicher Probleme bis zu fehlenden Diskriminierungsbewusstsein.

Ausbildung: Die Verknüpfung von Fachrecht, Art. 3 GG, Unionsrecht und CEDAW muss in der Ausbildung gestärkt werden. Legal Clinics helfen beim Erwerb der Kenntnis der Rechtsrealitäten und müssen daher gefördert werden.

Fortbildung: Richter*innen brauchen ein besseres Verständnis der Rechtsrealität und sollten daher vor der Richter*innentätigkeit zunächst fünf Jahre in der Rechtspraxis arbeiten. Außerdem muss es verpflichtende Fortbildungen zu Antidiskriminierungsrecht und typischen Rechtsdurchsetzungshindernissen für Frauen* geben.

Prozessrecht: Wir fordern die Einführung eines Verbandsklagerechts im AGG, um die Individualisierung als strukturelles Mobilisierungshindernis aufzubrechen.

2. Fachstellungnahme des 46. FJT zu strukturellen Problemen im familiengerichtlichen Verfahren

Alle Familienrichter*innen sind zur Aus- und Weiterbildung im Sinne des § 23b Abs. III GVG zu verpflichten. Dies muss sich insbesondere auf den Schutz vor schlechtsbezogener Gewalt im Sinne der Istanbul-Konvention beziehen.

3. Fachstellungnahme des 46. FJT: Brauchen wir ein digitales Antidiskriminierungsrecht?

Materiale Gleichheit muss auch in der Datenverarbeitung verwirklicht werden. Wir müssen uns von einem individualisierenden Verständnis informationeller Selbstbestimmung lösen und informationelle Selbstbestimmung zurück in die Gesellschaft holen.

Der individualisierende Rechtsschutz reicht hierzu nicht aus. Strukturelle Diskriminierungslagen, die als gesellschaftliche Datenbias in datenbasierten algorithmischen Systemen rationalisiert werden, können nicht von einer einzelnen Person aufgebrochen werden.

Die Rechtsdurchsetzung subjektiver Rechte muss daher kollektiviert, institutionalisiert werden und ex-ante erfolgen.

Es braucht (ex-post) Verbandsklagerechte; (ex-ante) externe (!) Technikfolgeabschätzungen; bestehende Gleichstellungsinstitutionen und Datenschutzbehörden müssen gestärkt werden – mit Eingriffsrechten, Personal und Finanzierung.

Es braucht Verbote. Datenbasierte algorithmische Systeme erkennen Muster keine Einzelfälle. Es ist nicht sinnvoll datenbasierte algorithmische Systeme zu nutzen, um Einzelfallentscheidungen zu treffen.

Datenbasierte algorithmischen können hingegen gesellschaftliche, strukturelle Diskriminierungslagen statistisch genau abbilden. Deswegen sollten sie genutzt werden, um Institutionen zu auditen und die Institutionen strukturell zu verändern.

Datenbasierte algorithmische Systeme sind gesellschafts(mit)gestaltend.

Über ihre Entwicklung und Anwendung sollten wir demokratisch entscheiden und nicht nur diejenigen mit Zugang zu Daten und Dateninfrastruktur entscheiden lassen.

4. Fachstellungnahme des 46. FJT zum Schutz vor digitalisierter Gewalt gegen Frauen* in der anwaltlichen Praxis

Wir fordern, dass schon im Ermittlungsverfahren wegen digitaler Gewalt zum frühestmöglichen Zeitpunkt eine Belehrung der Anzeigeerstattenden und Zeug*innen erfolgt über die Möglichkeit, eine c/o-Adresse anzugeben, und dass dieses aktenkundig gemacht wird.

5. Fachstellungnahme des 46. FJT: Feministische Klimaklagen: Grundlagen, Prozessgestaltung und Ideen

Der Klimawandel und seine Auswirkungen sind geschlechterspezifisch, wirken intersektional und betreffen Frauen, trans-, inter- und nicht-binäre Personen überproportional. Der zuletzt veröffentlichte 6. Sachstandsbericht des IPCC macht deutlich, wie sich bestehende Ungleichheitsverhältnisse in die Resilienz gegenüber negativen Auswirkungen des Klimawandels einschreiben und geschlechterspezifische Vulnerabilitäten hervorbringen.

Weltweit gesehen ist der globale Süden besonders stark von Erderwärmung betroffen. Häufig fehlen die nötigen Mittel für adäquate Klimaanpassung. Die Bedohung von Lebensgrundlagen ist genderspezifisch und wird immer akuter. Gerade wo Lebensgrundlagen gefährdet sind – etwa durch Dürre oder Überschwemmungen -, sind Flucht und Migration wesentliche Anpassungsstrategien. Auf der Flucht selbst aber auch während anhängiger Asylverfahren sind Frauen, trans-, inter- und nicht-binäre Personen überproportional durch (sexualisierte) Gewalt gefährdet. Aber auch in Europa zeigt sich die ungleich verteilte Resilienz, etwa in der erhöhten Gesundheitsgefahr, die Hitzewellen für (ältere) Frauen darstellen.

Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat mit dem Beschluss des Ersten Senats vom 24. März 2021 (1 BvR 2656/18) hervorgehoben, wie das „Klimaschutzgebot vom Staat (…) international ausgerichtetes Handeln zum globalen Schutz des Klimas [verlangt] und [ihn] verpflichtet, im Rahmen internationaler Abstimmung auf Klimaschutz hinzuwirken.“ Das Abkommen von Paris hält die unterzeichneten Staaten an, „das Recht auf Entwicklung sowie die Gleichstellung der Geschlechter, die Stärkung der Rolle der Frau [zu] achten, fördern und berücksichtigen“. Effektive Strategien und Maßnahmen zur Abmilderung und Anpassung an den Klimawandel müssen international und geschlechtergerecht ausgestaltete sein.

Klimapolitik und -wissenschaft sind durchzogen von vergeschlechtlichten Macht- und Hierarchieverhältnissen. Sie beeinflussen die Frage nach den Ursachen sowie die Suche nach sowie die Narrative zu Lösungen für die Klimakrise. Perspektiven von Frauen trans-, inter- und nicht-binären Personen finden bisher bei der auch rechtlichen Begegnung der Bewältigung der Klimakrise zu wenig Berücksichtigung. Das betrifft die rechtliche Regelung des Klimaschutzes etwa im Klimaschutzgesetz, hat aber ebenso Bedeutung für mittelbar angesprochene Rechtsbereiche wie das Asyl- und Migrationsrecht oder das Lieferkettensorgfaltsgesetz.

Wir fordern, dass für die Umsetzung des Paris-Abkommens und für die Erreichung der Klimaziele im und durch Recht eine intersektionale Perspektive auf Geschlecht eingenommen wird. Dies erfordert zunächst eine Identifizierung der hierfür relevanten Themen. Hierzu könnte etwa ein nationaler Gender-Action-Plan für die Klimapolitik gehören.

Wir fordern, die für Flucht und Migration zuständigen staatlichen Institutionen als ersten Schritt für klimaspezifische Schutzpflichten zu sensibilisieren, insbesondere im Bereich des Refoulmentschutzes. Auch hier sind Frauen, trans-, inter- und nicht-binäre Personen auf der Flucht und während des Asylverfahrens effektiv vor Gewalt zu schützen.

Wir fordern, dass die vergeschlechtlichten Auswirkungen von Lieferketten für die gründe Transformation der Wirtschaft, z.B. Energiewende, rechtlich Berücksichtigung finden, z.B. über das Lieferkettensorgfaltsgesetz. Schon heute kommt es entlang von Lieferketten zu Verletzungen von umweltbezogenen Menschenrechten, die Frauen ungleich härter treffen.

6. Fachstellungnahme des 46. FJT: Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt – das ILO-Übereinkommen 190

Wir fordern die Bundesregierung auf, das Übereinkommen Nr. 190 der Internationalen Arbeitsorganisation über die Beseitigung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt von 2019 umgehend zu ratifizieren.

7. Fachstellungnahme des 46. FJT: Regelungskonzepte zum Schwangerschaftsabbruch feministisch denken

Im Anschluss an die Resolution des 45. Feministischen Juristinnentags zur ersatzlosen Streichung der §§ 218 ff. StGB (in STREIT 2/2019, S. 93) fordern wir, dass:

  1. in der Ausbildung / dem Studium zu medizinischen Berufen die Möglichkeit gefördert wird, sich mit der Thematik Schwangerschaftsabbruch aus medizinischer und medizinethischer Sicht auseinanderzusetzen.
  2. in der gynäkologischen Weiterbildung die Aufklärung über und die Befähigung zum Schwangerschaftsabbruch als verpflichtend eingeführt wird.
Stellungnahmen des 45. Feministischen Juristinnentages

Resolutionen

1. Resolutionen des 45. FJT zum Abtreibungsrecht

Wir fordern die ersatzlose Streichung der §§218 ff StGB.

Schwangere haben ein Recht auf Abtreibung.

Der Staat ist verpflichtet, die Wahrnehmung dieses Rechts zu ermöglichen.

Hierzu gehören auch die umfassende Information, das Recht auf freiwillige Beratung, die Kostenübernahme und die Gewährleistung einer bedarfsorientierten Infrastruktur.

Als Vorbild kann die seit 1975 geltende französische Regelung im Gesundheitsrecht dienen.

2. Resolutionen des 45. FJT zum Schutz vor Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität

anlässlich des „Referentenentwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der Änderung des Geschlechtseintrages“ des BMJV und BMI vom 8.Mai 2019

Der FJT fordert die Bundesregierung auf, unverzüglich und mit allen geeigneten Mitteln gegen jede Form der Geschlechtsdiskriminierung aktiv zu werden. Dies umfasst auch die Diskriminierung durch Nicht-Anerkennung der Geschlechtsidentität und durch medizinische oder rechtliche Fremdbestimmung in Fragen der Geschlechtsidentität bis hin zu extrem schädigenden Operationen an Säuglingen und Kleinkindern, welche nicht einer binären Geschlechternorm entsprechen.

Der am 8. Mai 2019 veröffentlichte Referent*innenentwurf des BMJV und des BMI zur Neuregelung des Geschlechtseintrags wird dieser Verpflichtung nicht gerecht. Im Gegenteil bleibt er weit hinter den verfassungs- und menschenrechtlichen Standards zum Schutz von Trans*- und Inter*-Personen vor Diskriminierung zurück. Weder die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (zum TSG, zur sog. Dritten Option) noch einschlägige rechtliche Expertise noch die menschenrechtlichen Vorgaben (UN-Frauenrechtskonvention, UN-Anti-Folter-Konvention, UN-Kinderrechtskonvention,UN-BehindertenrechtskonventionEMRK) werden beachtet.

Der FJT fordert die beteiligten Ministerien auf, den Referent*innenentwurf vom 8. Mai 2019 zurückzuziehen und unverzüglich unter umfassender, angemessener Beteiligung der Selbstorganisationen von Betroffenen einen verfassungs- und menschenrechtskonformen Entwurf vorzulegen.

Fachstellungnahmen

1. Fachstellungnahme des 45. FJT zur Neuregelungen im Sexualstrafrecht

1. Der Feministische Juristinnen*tag begrüßt, dass der Gesetzgeber mit dem 50. Strafrechtsänderung zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 die „Nein-heißt-Nein“-Lösung gesetzlich verankert hat.
2. Der Feministische Juristinnen*tag fordert, dass die Anwendung der Neuregelungen evaluierend begleitet wird, um insbesondere die Umsetzung in der Praxis zu beobachten.
3. Der Feministische Juristinnen*tag fordert, dass die Bundesregierung die konkrete Ausgestaltung der Tatbestände der §§ 177, 184i, 184j StGB kritisch überprüft. Anhaltspunkte für Unstimmigkeiten finden sich etwa im Abschlussbericht der Reformkommission zum Sexualstrafrecht. Diese sollten nicht ungenutzt verhallen, sondern aufgegriffen und diskutiert werden.
4. Der Feministische Juristinnentag fordert, den § 184j StGB (Straftaten aus Gruppen) ersatzlos zu streichen. Die Vorschrift ist verfassungsrechtlich bedenklich und aus rechtstaatlicher Sicht nicht akzeptabel.
5. Der Feministische Juristinnentag fordert, dass Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte im neuen Sexualstrafrecht geschult werden, wobei Schulungen auch in Bezug auf andere Rechtsgebiete verpflichtend sein müssen.
6. Der Feministische Juristinnentag fordert, dass die Neuregelungen insbesondere bei Frauen hinreichend und niedrigschwellig bekannt gemacht werden und Hürden, die einer Anzeige entgegenstehend, abgebaut werden.
7. Der Feministische Juristinnentag fordert, dass das Sexualstrafrecht den Studierenden in den Universitäten als Lehrfach auf freiwilliger Basis angeboten wird, aber kein Prüfungsstoff wird.

2. Fachstellungnahme des 45. FJT zum „Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Änderung des Geschlechtseintrages“ des BMJV und BMI vom 8.Mai 2019

Wenn Menschen in ihrer geschlechtlichen Identität nicht anerkannt werden, sondern Medizin und/oder Behörden über diese höchstpersönliche Frage entscheiden, stellt dies eine tiefgreifende Diskriminierung auf Grund des Geschlechts dar. Der am 8. Mai 2019 veröffentlichte Referent*innenentwurf des BMJV und des BMI zur Neuregelung des Geschlechtseintrags beendet diese Diskriminierung nicht, sondern bleibt weit hinter den verfassungs- und völkerrechtlichen Standards zurück. Weder die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (zu Reichweite und Bedeutung von Persönlichkeitsrecht, Menschenwürde und Verbot der Geschlechtsdiskriminierung), noch einschlägige rechtliche Expertise noch die menschenrechtlichen Vorgaben (UN-Frauenrechtskonvention, UN-Anti-Folter-Konvention, UN-Kinderrechtskonvention, UN-Menschenrechtskonvention) werden beachtet.

Der Gesetzesentwurf schreibt überkommene biologistische und binäre Stereotype fort und erhebt sie zu Zugangsvoraussetzung zu Grundrechtspositionen.

In einer Fachstellungnahme des 44. FJT wurde bereits beschlossen, dass die Eintragung oder Änderung des Geschlechtseintrags allein auf Grund der Selbstidentifikation möglich sein muss.

Dabei bleiben wir. Die Änderung des Geschlechtseintrages darf nicht von Gerichtsverfahren, Gutachten, Zwangsberatungen, oder Nachweisen über die körperliche Beschaffenheit abhängig sein, da mit solchen Verfahren stets eine Pathologisierung einher geht. Weiterhin ist von einer vorgeschriebenen Einbeziehung von Dritten, wie Ehegatt*innen, in das Verfahren, abzusehen.

Wir fordern die beteiligten Ministerien auf, unverzüglich einen verfassungskonformen Entwurf vorzulegen, mit dem die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (zum TSG, zur sog. Dritten Option) und die menschenrechtlichen Vorgaben beachtet werden und bei dem die Selbstorganisationen der Betroffenen von Geschlechtsdiskriminierung angemessen einbezogen werden. Hierzu gehört eine ausreichende Möglichkeit zur Stellungnahme für Verbände sowie eine ausführliche Begründung grundrechtsrelevanter Regelungen.

Wenn die Anerkennung von Geschlechtsidentitäten und der Schutz vor Geschlechtsdiskriminierung geregelt werden sollen, gehört die Durchsetzung des Verbots geschlechtsnormierender Operationen an Minderjährigen dazu. Die brutalste Form der Durchsetzung einer binären Geschlechterordnung sind die extrem schädigenden geschlechtsnormierenden Operationen an Kleinkindern. Sie zerstören körperliche Integrität, Lebensfreude, sexuelle Selbstbestimmung und reproduktive Möglichkeiten. Diese gegen Grund- und Menschenrechte sowie zivil- und strafrechtliche Normen verstoßende Praxis ist sofort mit allen geeigneten Mitteln wirksam zu unterbinden.

Der FJT fordert die beteiligten Ministerien auf, den Referent*innenentwurf vom 8. Mai 2019 zurückzuziehen und unverzüglich einen Gesetzentwurf vorzulegen, welcher die Anerkennung von Geschlechtsidentitäten und den Schutz vor Diskriminierungen umfassend und im Einklang mit Grundgesetz und menschenrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik regelt.

3. Fachstellungnahme des 45. FJT zu barrierefreier Zugang zu Recht

Die Arbeitsgemeinschaft fordert:
Die Sensibilisierung von Jurist*innen in ihrem jeweiligen beruflichen Kontext im Umgang mit einer divers zusammengesetzten Gesellschaft, insbesondere mit Menschen mit Behinderungen. Hierbei ist die Situation von Frauen und Mädchen mit Behinderungen bei Gewalt in Nahbeziehungen und sexualisierter Gewalt besonders zu berücksichtigen.
Die Öffnung des Regelsystems für von Gewalt betroffenen Frauen und Mädchen mit Behinderungen. Dazu zählt vor allem der Abbau von Hürden bei Polizei, Justiz, Beratung, Schutzeinrichtungen. Eine bessere Ausbildung von Student*innen und Referendar*innen im Hinblick auf Reflektion von Privilegien (z.B. Anti-Bias-Schulungen).

4. Fachstellungnahme des 45. FJT zum Abstammungsrecht

Das Abstammungsrecht ist reformbedürftig. Die Pluralisierung von Familienmodellen sowie die auch rechtlich erfolgte Anerkennung geschlechtlicher Selbstbestimmung werden vom geltenden Recht nur unzureichend abgebildet. Dies geschieht zum Nachteil der Eltern und der Kinder in den jeweiligen Familien.
Erste Entwürfe für Neuregelungen liegen mit dem Diskussionspapier des Bundes-ministeriums für Justiz und Verbraucherschutz vom 13. März 2019 vor. Auch ein am 08. Mai veröffentlichter Entwurf zur Reform des Transsexuellengesetzes adressiert das Eltern-Kind-Verhältnis.
Die vorgeschlagenen Reformen reichen jedoch nicht weit genug.
Hinsichtlich einer Neuregelung des Abstammungsrechts sind drei wesentliche Punkte anzumerken:

1. Soziale Elternschaft
Soziale Elternschaft ist die wesentliche Bedingung für Familie und das Kindeswohl. Der genetischen Beziehung zum Kind sollte bei der Eltern-Kind-Zuordnung daher kein pauschaler Vor- oder Gleichrang vor der sozialen Elternschaft gegeben werden. Die starke Betonung genetischer Zusammenhänge schließt insbesondere Familien jenseits der heteronormativen Kleinfamilie aus. Stattdessen sollten die real gelebten Verantwortungsbeziehungen geschützt werden.

So ist davon abzusehen, wie im Diskussionspapier vorgeschlagen, die Anfechtungssperre der sozial-familiären Beziehung gemäß § 1600 Abs. 3 BGB für die ersten sechs Lebensmonate des Kindes aufzuheben. Dies bedeutet die Möglichkeit des dauerhaften Ausschlusses einer Abstammungsbeziehung zu dem sozialen Elternteil. Die sorgetragende Familie und die Autonomie der Personen, die gemeinsam Elternverantwortung übernehmen werden so nicht geschützt.

Eine Beschränkung der Regelungen auf medizinisch assistierte Befruchtungen entspricht nicht der Lebenswirklichkeit lesbischer Paare. Auch bei privaten Samenspenden sollte es die Möglichkeit geben, das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung zu wahren und zugleich die real gelebten Verantwortungsbeziehungen abzusichern.

2. Geschlechterinklusives Recht
Die geschlechtliche Selbstbestimmung von Menschen muss in allen Rechtsbereichen unterschiedslos gewahrt werden. Das bedeutet, dass es für inter, trans und nicht-binäre Personen adäquate Eintragungsmöglichkeiten in Geburtenregister und Geburts-urkunden ermöglicht werden müssen. Die im Diskussionspapier vorgeschlagene analoge Anwendung der abstammungsrechtlichen Regelungen auf inter Personen widerspricht evident der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts: Wenn der Staat an vergeschlechtlichen Eintragungen festhält, muss eine Option für jene jenseits der binären Ordnung geschaffen werden. Die Eintragung von trans Personen mit ihren abgelegten Namen und im ehemaligen Geschlecht stellt eine nicht zu rechtfertigende Verletzung des Offenbarungsverbots dar. Die Begriffe „Mit-Mutter“ oder „Co-Mutter“ eröffnen eine Hierarchie zwischen biologischer und sozialer Mutter und sind daher abzulehnen.
All diese Ungleichbehandlungen können durch die Einführung geschlechtsneutraler Begriffe wie „Elter“ oder „Elternteil“ beendet werden.

Das Geschlecht einer Person darf nicht über ihren Zugang und ihr Ausleben von Elternschaft entscheiden. So muss sichergestellt werden, dass lesbische Paare, aber auch alleinstehende Frauen gleichen Zugang wie heterosexuelle zu Samenbanken haben. Es muss endlich eine gesetzliche Grundlage her, die einen solchen Zugang sicherstellt. Insgesamt ist es dringend erforderlich, Zugang zu und Kostenfragen reproduktionsmedizinischer Maßnahmen in einem Fortpflanzungsmedizingesetz geregelt werden.

3. Multiple Elternschaft
Für Menschen, die einvernehmlich Verantwortung für Kinder übernehmen, sollte es möglich sein, ihre Sorgerechtsmodelle verbindlich abzusichern. Dies umfasst Fragen der Sorgeausübung, des Umgangs, Unterhalt und Erbrecht.
Begriffliche und systematische Trennung von romantischer (heterosexueller) (Zweier-)Beziehung und Elternverantwortung.

Stellungnahmen des 44. Feministischen Juristinnentages
Stellungnahmen des 43. Feministischen Juristinnentages

Fachstellungnahmen

Tatsächlicher und ungehinderter Zugang zu legalem Schwangerschaftsabbruch

Bezugnehmend auf die Fachstellungnahme des 42. FJT zu „Reproduktiven Rechten“ („Wir fordern, dass der von Schwangeren gewünschte Schwangerschaftsabbruch nicht strafbar ist.“) fordert der 43. FJT:

  • Bezugnehmend auf die Fachstellungnahme des 42. FJT zu „Reproduktiven Rechten“ („Wir fordern, dass der von Schwangeren gewünschte Schwangerschaftsabbruch nicht strafbar ist.“) fordert der 43. FJT:
  • Rechtliche Maßnahmen gegen religiös oder weltanschaulich motivierte Gehsteigbelästigungen.
  • Schutz von Ärzt*innen und Kliniken, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen.
  • Ausbildung von Gynäkolog*innen auch in Hinblick auf den Schwangerschaftsabbruch nach ärztlichen Standards.
  • Finanzierung von legalen Schwangerschaftsabbrüchen als medizinische Dienstleistung durch die gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen bzw. Beihilfe.

Fachstellungnahme zu Bekämpfung von Hassrede im Netz und Cyber Harassment

Hassrede und Cyber Harassment sind Formen digitaler Gewalt, die vielfach genutzt werden, um unliebsame Stimmen oder Angehörige marginalisierter Gruppen aus dem digitalen öffentlichen Raum zu verdrängen. Es handelt sich um strukturelle Diskriminierung und Gewalt, welche nicht nur Einzelne, sondern auch die Demokratie gefährden. Daher bedarf es vor allem entsprechender Fortbildungen für Justiz, Staatsanwalt-schaften und Polizei in Bezug auf alle betroffenen Rechtsgebiete.

Strafrechtliche Maßnahmen

Grundsätzlich enthält das Strafgesetzbuch hinreichende Tatbestände zur Bekämpfung digitaler Gewalt (Volksverhetzung, Aufruf zu Straftaten, Bedrohung, Nachstellung, Beleidigung, Verleumdung, Verbreitung von Gewaltpornographie, Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs etc). Diese werden aber kaum angewendet. Strafverfolgungsorgane dürfen Hassrede und Cyber Harassment nicht verharmlosen. Um wirkungsvoll gegen digitale Gewalt vorzugehen, müssen sie auch die diskriminierende Dimension erkennen und dementsprechend handeln. Die Verfolgung von Hate Speech oder Cyber Harassment liegt regelmäßig im öffentlichen Interesse.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 5. April 2017

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken vom 5. April 2017 will die Betreiber*innen sozialer Netzwerke durch sehr hohe Bußgeldandrohungen bewegen, strafbare Inhalte unverzüglich zu löschen. Dies ist ein Schritt in die richtige Richtung, deckt aber nur einen Bruchteil der Problematik ab.

Zivilrechtliche / medienrechtliche Ansprüche

Staatlich durchzusetzendes Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht sind nur ein mögliches rechtliches Mittel. Zusätzlich braucht es Recht, welches von den Betroffenen selbst mobilisiert werden kann. Das aktuelle Medienrecht fokussiert auf Fake News und Verletzungen des Persönlichkeitsrechts, strukturelle Diskrimi-nierung wird nicht adressiert. Betroffene brauchen effektive Ansprüche auf Sperrung, Löschung, Unterlassen, Richtigstellung, Schadensersatz und Schmerzensgeld. Sowohl die Personen, die digitale Gewalt verbreiten, als auch diese tolerierende Betreiber*innen muss eine Nachverfolgungspflicht bezüglich rechtswidriger Angriffe und Photos treffen. Zu denken wäre ferner an einen antidiskriminierungsrechtlichen Anspruch, der auch verschuldensunabhängige Ansprüche („bezweckt oder bewirkt“) umfassen würde.

Rechtsdurchsetzung bzw. Rechtsmobilisierung

Die Haftungsprivilegien für Betreiber*innen und Intermediäre sind auf ein sinnvolles Maß zu reduzieren, welches garantiert, dass das Internet ein Freiraum für alle bleibt. 
Der im Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 5. April 2017 vorgesehene Auskunftsanspruch hilft Betroffenen, ihre Ansprüche durchzusetzen. Er ist aber nur unter einem effektiven Gerichtsvorbehalt verfassungsgemäß und vor Missbrauch geschützt. 
Hassrede und Cyber Harassment sind weit überwiegend Formen struktureller Diskriminierung. Die Rechtsdurchsetzung kann daher nicht allein den betroffenen Individuen aufgebürdet werden. Es braucht verschiedene Formen der Verbandsklagemöglichkeiten für Antidiskriminierungsverbände wie gewillkürte Prozessstandschaft, Einziehungsklage, objektive Rechtsdurchsetzung etc. Diese können sich an bestehenden kollektiven Prozessrechten von Verbraucherschutzverbänden orientieren. 
Es braucht einen feministischen Rechtshilfefonds, der u.a. durch Bußgelder aus einschlägigen Ordnungs-widrigkeitenverfahren finanziert wird.

Jenseits des Rechts

Rechtliche Maßnahmen gegen Hassrede und Cyber Harassment sowie tatsächliche Rechtsdurch-setzung sind weiter zu verbessern. Staatliche Organe müssen dieses Problem ernst nehmen; aber auch die zivilgesellschaftliche Rechtsmobilisierung ist zu stärken. Trotzdem bleiben nicht-rechtliche, zivilgesellschaftliche Strategien und Methoden unabdingbar. Wer sich für weniger Diskriminierung im Netz einsetzt, braucht Unterstützung und Anerkennung.

Fachstellungnahme zur Sexualstrafrechtsreform

Es muss sichergestellt werden, dass die Sexualstrafrechtsreform – und der damit verbundene Paradigmenwechsel – in der strafrechtlichen Praxis und im gesellschaftlichen Umgang mit sexualisierter Gewalt wirksam umgesetzt wird.
Dafür ist insbesondere eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit zur Sexualstrafrechtsreform, auch durch staatliche Stellen, notwendig. Diese sollte u.a. durch öffentliche Kampagnen, Aufklärung, qualifizierte sexualpädagogische Angebote in Schulen sowie der Kinder- und Jugendarbeit und durch die Unterstützung entsprechender Projekte erfolgen. 
Erforderlich ist ferner eine flächendeckende Bereitstellung verpflichtender Fortbildungsmaßnahmen für Justiz, Staatsanwaltschaften und Polizei, welche die Angehörigen der Strafverfolgungsorgane befähigt, Geschlechterstereotype und Vergewaltigungsmythen zu reflektieren und professionell mit Tatverdächtigen wie Opferzeug*innen umzugehen. Ferner sind die notwendigen personellen Ressourcen in der Strafverfolgung bereit zu stellen. 
Voraussetzung der Begutachtung von sexualisierter Gewalt Betroffener muss sein, dass die begutachtende Person professionelle Kompetenzen im Umgang mit traumatisierten Personen aufweist. 
Nebenklagerechte wie bspw. das Akteneinsichtsrecht werden zunehmend durch die Rechtsprechung beschnitten, vielerorts hat sich (angesichts der mangelnden Revisionsfähigkeit entsprechender Rechtsbrüche) insoweit eine bundesgesetzwidrige Praxis eingeschlichen, die unverzüglich zu unterbinden ist. 
Der Anspruch auf psychosoziale Prozessbegleitung ist auch erwachsenen Betroffenen von Sexualdelikten vorbehaltlos zu gewähren. Eine psychosoziale Prozessbegleitung ersetzt keine unbehinderte Nebenklage. 
Damit die Sexualstrafrechtsreform Rechtswirklichkeit wird, bedarf es ferner der finanziellen und personellen Unterstützung von derzeit völlig überlasteten Hilfesystemen sowie zusätzlicher Angebote in der Täterarbeit und vor allem im Bereich der Prävention. 
Die Istanbul-Konvention ist vollständig umzusetzen.

Stellungnahmen des 42. Feministischen Juristinnentages

Resulutionen

1. Flucht und Geschlecht

Das Recht auf ein faires Verfahren und das Recht auf menschenwürdige Existenzsicherung sind im Fall jeder asylsuchenden Person zu wahren. Dennoch ist der Zugang zum Asylverfahren (gerade) für geflüchtete Frauen, Inter- und Transpersonen mit Gewalt, Eingriffen in die (sexuelle) Selbstbestimmung und Lebensgefahr verbunden.
Wir fordern daher:

  • Zugang zu einem fairen Verfahren für alle Geflüchteten und damit die Einhaltung völker- und unionsrechtlicher Verpflichtungen
  • angemessene Betreuung und Unterbringung für alle Geflüchteten unter besonderer Rücksichtnahme auf Gruppen, die häufig von sexualisierter und geschlechtsbezogener Gewalt betroffen sind
  • die Förderung zivilgesellschaftlicher Organisationen, die in der Flüchtlingshilfe tätig sind, insbesondere solange der Staat seine Verantwortung in diesem Bereich nicht wahrnimmt

Zudem sprechen wir uns dezidiert gegen die Instrumentalisierung feministischer Anliegen für rassistische Hetze aus.

2. Sexualstrafrechtsreform

Der 42. FJT fordert eine Reform des Sexualstrafrechts, die die Vorgaben der Instanbul-Konvention erfüllt, insbesondere einen Grundtatbestand, der entsprechend Art. 36 Istanbul-Konvention jede vorsätzlich begangene nicht einverständliche sexuelle Handlung an einer anderen Person sanktioniert. Das Einverständnis muss als Ergebnis des freien Willens der Person erteilt werden, wobei die Freiwilligkeit unter der Berücksichtigung der jeweiligen Begleitumstände zu beurteilen ist, ohne Menschen mit Behinderung zu diskriminieren.

Fachstellungnahmen

AG 3.1 Abschaffung des Verschuldensprinzips – Deutschland als Vorbild?

In Österreich soll zwischen Eheleuten eine verpflichtende Aufteilung der während der Ehe erwirtschafteten Pensionsanwartschaften eingeführt werden. Die jeweiligen Guthaben sollen bereits während der Ehe sichtbar gemacht werden.

Das Verschuldensprinzip beim nachehelichen Unterhalt soll in Österreich abgeschafft werden.

In Österreich soll ebenso wie in Deutschland der befristete Betreuungsunterhalt zwischen Eltern unterschiedslos auch für nicht verheiratete Eltern gelten.

AG 4.1 Sexuelle Selbstbestimmung wirksam umsetzen

Wir fordern zur wirksamen Umsetzung von Art. 36 Instanbul Konvention eine Reform des Sexualstrafrechts, die folgende Kriterien erfüllt:

  • Einen Grundtatbestand, der jede vorsätzlich begangene nicht einverständliche sexuelle Handlung an einer anderen Person sanktioniert.
  • Das Einverständnis muss freiwillig als Ergebnis des freien Willens der Person, der im Zusammenhang der jeweiligen Begleitumstände beurteilt wird, erteilt werden.
  • Das Einverständnis liegt nicht vor,
  • wenn äußere Umstände vorliegen, die darauf hindeuten, dass das Einverständnis nur unter psychischem Druck oder durch Täuschung oder infolge Abhängigkeit zustande gekommen ist,
  • oder wenn die betroffene Person keinen entgegenstehenden Willen bilden oder äußern kann, etwa in Fällen überraschender Begehung oder bei Bewusstlosigkeit oder Bewegungsunfähigkeit (z.B. Wachkoma),
  • oder wenn der Täter oder die Täterin es ausnutzt, dass die betroffene Person in der Bildung oder Äußerung ihres Willens beeinträchtigt ist;
  • Jede Form der tätlichen sexuellen Belästigung ist unter Strafe zu stellen
  • Für Fälle, in denen der Täter oder die Täterin Gewalt oder Drohung anwendet oder eine schutzlose Lage des Opfers ausnutzt, sind entsprechende Qualifikationen vorzusehen.
  • Die Strafbarkeit darf nicht an die Widerstandsunfähigkeit oder die Behinderung des Opfers anknüpfen, sondern in nichtdiskriminierender Weise an die mangelnde Fähigkeit, einen Willen zu bilden oder frei zu äußern;

Weiter fordern wir:

  • Spezialisierung, Sensibilisierung und Training für Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte, die Erkenntnisse der (Rechts-)Soziologie, Kriminologie, Sexualwissenschaft und der Gewaltforschung, der Traumaforschung und der Psychologie, insbesondere über Opferverhalten, ebenso umfassen wie eine kritische Auseinandersetzung mit Geschlechterbildern und Vergewaltigungsmythen,
  • flächendeckende Angebote anonymer und verfahrensunabhängiger Spurensicherung und Beweissicherung,
  • einen Rechtsanspruch auf psychosoziale Prozessbegleitung und deren flächendeckende Bereitstellung, sowohl im Straf- wie auch im Zivilverfahren wegen Sexualdelikten und
  • geschlechtergerechte schulische Bildung und außerschulische Bildungsangebote über das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung

AG 4.2 Opferrechte im Strafverfahren

Opferrechte im Strafverfahren sollen eine Bringschuld des Staates sein, keine Holschuld (Rechte nur auf Antrag) des Opfers.
Psychosoziale Prozessbegleitung in Gerichtsverfahren, in denen ein strafrechtlich relevanter Sachverhalt eine maßgebliche Rolle spielt, unabhängig davon, ob eine Strafanzeige vorgeschaltet war.
Psychosoziale Prozessbegleitung für Angehörige von Opfern schwerer Straftaten, die Zeug_innen der Tat waren und für Dritte, die Zeug_innen von Tötungsdelikten waren.

AG 5.1 Emanzipatorische Kraft des individuellen Rechtsanspruchs

Nach der Beweislastregelung des österreichischen Gleichbehandlungsgesetzes muss eine Person, die sich diskriminiert fühlt, den Diskriminierungstatbestand glaubhaft machen. Der/die Arbeitgeber_in oder Dienstleistungsanbieter_in muss dann beweisen, dass es wahrscheinlicher ist, dass ein anderes Motiv als das durch das Gleichbehandlungsgesetz verpönte für die unterschiedliche Behandlung, beispielsweise die unterschiedliche Bezahlung, ausschlaggebend war.
Das Unionsrecht sieht in den Richtlinien eine Beweislastverschiebung vor. Aus der EuGH Judikatur geht hervor, dass die Beweislast umgekehrt werden soll, wenn es im Verfahren zur Kausalitätsprüfung des Zusammenhangs einer Benachteiligung zu einem konkreten Diskriminierungsgrund kommt. Der Beklagte sollte in diesem Fall objektive Gründe vorbringen, um den Diskriminierungsverdacht auszuräumen. Diskriminierung ist als eine „unreflektierte Reaktion“ auf eine Person anhand eines Vorurteils die Personengruppe betreffend zu sehen. Die zentrale Verfahrensfrage ist es daher, die kausale Verbindung zwischen dem geschützten Merkmal und dem benachteiligenden Verhalten herzustellen, weil diese ja zumeist verdeckt ist und das für den/die Kläger_in oft die unüberwindbare Hürde ist. Das Unionsrecht verfolgt somit den Zweck einen wirksamen Schutz durch die Anordnung der Beweislastverlagerung herzustellen und geht von einem Anscheinsbeweis aus. 
In der österreichischen Regelung wurde in Umsetzung das Beweismaß herabgesetzt, es genügt also eine Glaubhaftmachung. Verlangt wird allerdings ein Indizienbeweis. Dabei findet kein zweistufiges Verfahren statt, also dass der/die Kläger_in zunächst die unsachliche oder willkürliche Ungleichbehandlung darlegen würde und sich danach der Beklagte erklären müsste. Beim Indizienbeweis wird verlangt, dass der/die Kläger_in zusätzlich zu der willkürlichen Ungleichbehandlung Indizien zum Kausalzusammenhang zum Diskriminierungsgrund darlegt, damit die Hürde zur Glaubhaftmachung gelingt. Aus der Sicht der Arbeitsgruppe erscheint diese Hürde im Lichte der grundsätzlich vorgesehenen Beweislasterleichterung zu hoch und führt zu einer „Verschuldensprüfung durch die Hintertüre“. Grundsätzlich ist in der schadenersatzrechtlichen Prüfung einer Diskriminierung gerade kein Verschulden vorgesehen. Die Indiziensuche verlangt aber geradezu eine Art „Böswilligkeit“ oder Diskriminierungsabsicht beim/bei der Beklagten festzumachen. Vor allem hinsichtlich der österreichischen Beweislastregelungen werden Verbesserungen verlangt. Es wird gefordert, vom Indizienbeweis abzugehen und einen Anscheinsbeweis (prima facie) vorzusehen. 
Zudem stellt die Arbeitsgruppe fest, dass Information, Schulung und Bewusstseinsbildung in Bezug auf typische „Diskriminierungsmuster“ in der Jurist_innenausbildung fehlen und es mehr Praxisbezug braucht. 
Wir fordern eine Verbesserung des individuellen Rechtsschutzes im Anti-Diskriminierungsrecht durch

  • Mehr Praxis in der Ausbildung von Jurist_innen (zB durch law clinics > Klient_innenzugang notwendig)
  • Legistische Veränderung der Beweislastregelung in Österreich vom „Motiv“ und Indizienbeweis zu einem dem Europarecht angepassten Anscheinsbeweis.

AG 8.1 Geschlechter(de)konstruktionen auf der Flucht

Wir fordern:

  • Die institutionalisierte Vernetzung von interdisziplinärer Geschlechterforschung, Rechtswissenschaften sowie Flüchtlings_Migrationsrechtspraxis, um eine Handhabung der Begriffe Geschlecht und Sexualität – ausgehend vom Standard der Yogyakarta Prinzipien und ihren aktuell diskutierten Erweiterungen – zu gewährleisten.
  • Frauen*, Inter- und Trans*-bezogene Fortbildungs- und Sensibilisierungsmaßnahmen für im Flüchtlings_Migrationsrechtsbereich tätige Organe, Übersetzer*innen und Gutachter*innen.
  • die Berücksichtigung der Bedürfnisse von Frauen*, Inter- und Trans*Personen als besonders geschützte Personen im Sinn derRL 2013/33/EU (Aufnahmerichtlinie) von Amts wegen. Das erfordert insbesondere Wohnmöglichkeiten, die Schutz vor sexistischer,homo- und trans*/inter*phober Gewalt bieten, sowie einen entsprechenden Zugang zu geschützten Räumen, sozialer/kultureller Teilhabe und medizinische und psychotherapeutische Versorgungsangebote, gerade auch für Trans*Gender Personen und Personen mit Gewalterfahrungen.
  • Die Einrichtung einer Anlaufstelle und die Schaffung von effektivem Rechtsschutz für Fälle von sexistischer,homo- und trans*phober Diskriminierung und Gewalt im Flüchtlings_Migrationsbereich. Dies bedeutet auch ein Leveling Up im Antidiskriminierungsrecht beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen.
  • Schaffung legalisierter Fluchtwege. Bis dahin jedenfalls die Abschaffung von Strafen für Fluchthelfer*innen. Der Zugang zum Asylverfahren ist (gerade) für Frauen*, Inter- und Trans*Personen in aller Regel mit Lebensgefahr verbunden. Flucht ist kein Verbrechen; auch die Unterstützung dabei darf es nicht sein. (Die Begriffe Hilfe und Unterstützung schließen Ausbeutungsverhältnisse definitionsgemäß aus.)

AG 8.2 Schutz und Selbstbefähigung für geflüchtete Frauen

  • Frauen* verlieren durch die Flucht nicht ihre Menschenrechte, insbesondere nicht das Recht über ihr Leben selbst zu bestimmen
  • Sie haben Anspruch auf

 ◦    getrennte Unterbringung
 ◦    gewaltpräventive Gestaltung der sanitären Einrichtungen in allen Einrichtungen
 ◦    Selbstbestimmte Versorgung (va Essen, Kleidung)
 ◦    Recht auf den Auszug in eine Privatwohnung
 ◦    Gewaltschutz
       ▪    Gewalttäter werden auch aus Flüchtlingsunterkünften konsequent wegverwiesen
       ▪    Zusätzlich hat die von Gewalt betroffene Person das Recht auf ein sicheres Wohnen an einem Ort ihrer Wahl, zB in einem Frauenhaus, bei aufnahmebereiten Verwandten oder in einer privaten Unterkunft

  • Der Staat hat die Pflicht zur Gewährleistung der menschenrechtlichen Standards und der Bereitstellung entsprechender Mittel, insbesondere durch

 ◦    Schaffung entsprechender Einrichtungen für Frauen*, menschenrechtskonforme Standards für die Unterbringung
 ◦    Wahrung des Rechts auf Wahlfreiheit für Frauen*
 ◦    staatliche Kontrolle der Einrichtungen und Einhaltung der Standards
 ◦    Sicherung der Partizipation der Bewohner*innen der Einrichtungen an der Ausgestaltung des Zusammenlebens (zb Hausordnungen)
 ◦    Sicherung von wirksamem Zugang zu Gerichten und Beschwerdemöglichkeiten
      ▪    Information und Beratung in der Muttersprache
      ▪    Unabhängige Beschwerdestellen für alle Einrichtungen, die Abhilfe schaffen können
      ▪    Niederschwellige Verfahren
      ▪    Anonyme Beschwerdemöglichkeiten

Forum 2 Reproduktive Rechte

Wir fordern, dass der von Schwangeren gewünschte Schwangerschaftsabbruch nicht strafbar ist.

Stellungnahmen des 41. Feministischen Juristinnentages
Stellungnahmen des 40. Feministischen Juristinnentages

Fachstellungnahmen

AG 1:SGB XIII – Finanzierung des Hilfesystems bei Gewalt

Wir fordern, dass

  • von Gewalt betroffene Frauen und ihre Kinder einen Rechtsanspruch auf Hilfe und Schutz erhalten,
  • die Frauenberatungs- und Zufluchtseinrichtungen rechtlich abgesichert werden,
  • Mittel für die Einflussnahme auf gesellschaftliche Verhältnisse bereit gestellt werden.

AG 3: Digitale Gewalt und Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Netz

1.    Es braucht mehr Gewaltschutz in der digitalen Welt durch ein international verankertes Datenschutzrecht für personenbezogene Daten.

Im digitalen öffentlichen Raum nimmt die Diskriminierung, Bedrohung und Gewalt gegen Frauen zu, entzieht sich zugleich nationalstaatlichen Sanktionen und verstärkt noch die Gewalt gegen Frauen im realen öffentlichen Raum. Entsprechend stark ist der Datenschutz in der EU-Datenschutzverordnung zu gestalten und in alle Verhandlungen auf europäischer und internationaler Ebene umfassend und zwingend einzubeziehen.

2.    Es braucht mehr Bildungs- und Infrastrukturmaßnahmen im Bereich digitale Mediennutzung und Grundversorgung der Bevölkerung mit barrierefreiem und netzneutralem Zugang zu digitalen Medien. Es braucht medien- und diskriminierungsgeschultes Personal bei Polizei, in Behörden und in Schulen.

In der Gesellschaft fehlt es an einem Bewusstsein für die Kommerzialisierungs-prozesse und an Transparenz der Datennutzungen. Insbesondere fehlt es auch an der Kompetenz, mit eigenen Daten und insbesondere mit eigenen Bildern verantwortungsvoll umzugehen – in dem Bewusstsein, dass diese im Internet nur sehr schwer wieder zu löschen sind. Neben Investitionen in die digitale Infrastruktur im Sinne einer Grundversorgung mit Internetzugang braucht es daher Investitionen in die Grundbildung der Gesellschaft, und insbesondere von Mädchen und Frauen, im Umgang mit digitalen und mobilen Medien.

3.    Die Möglichkeiten, gegen Cybermobbing vorzugehen, sowie die Kenntnis der existenten Möglichkeiten müssen verbessert werden, insbesondere für die davon betroffenen Mädchen und Frauen.

Eines der vielen Hindernisse beim Vorgehen gegen Cybermobbing und digitale Bedrohungen liegt im Erfordernis der Offenlegung des eigenen Namens (und damit der eigenen Identität) als Klägerin. Dies kann die Gefahr noch verschärfen. Hier sind Möglichkeiten zu schaffen, die eigene Identität vor dem Mobber oder Stalker geheim zu halten. Ebenso braucht es Möglichkeiten, die eigene Adresse im ViSdP nicht angeben zu müssen, sondern sie z.B. bei einer Kanzlei oder einer öffentlichen Stelle zu hinterlegen, der dann stattdessen Klagen zugestellt werden könnten. Von digitaler Bedrohung, Gewalt und Stalking betroffene Frauen, insbesondere feministische Bloggerinnen, haben zudem oft Schwierigkeiten, Zugang zu Rechtsschutz zu erhalten, weil sie ihre Rechte nicht kennen. Wir fordern Anwältinnen, die in diesem Bereich arbeiten, auf, sich zu vernetzen, Frauen über Rechtsschutz zu informieren und so mehr Sichtbarkeit zu schaffen. Forschung und Aufklärung in diesem Bereich müssen auch verstärkt mit öffentlichen Mitteln unterstützt werden.

4.    Wir können mit Gewalt gegen Frauen im virtuellen Raum umgehen wie mit Gewalt im realen öffentlichen Raum.

Viele Frauen sind aktiv in den digitalen Medien und bilden eine feministische Gegenöffentlichkeit auch im Internet. Entsprechend müssen wir also bewusst Raum einnehmen und dabei durch Verschlüsselungstechniken und Beschränkungen die eigene Person absichern und bewusst Aktionen zur Benennung/Sichtbarkeit steuern.

AG 4: Frauenrechte als Unternehmensverantwortung. Überlegungen zur Rechtsdurchsetzung am Markt

Wir fordern:

  • die gesetzlichen Pflichten von Unternehmen zur Berichterstattung über die sozialen Bedingungen ihrer Produktion und Dienstleistungen zu konkretisieren und zu erweitern.
  • § 239 Abs. 3 HGB muss reformiert werden; Der Ermessensspielraum, ob über nichtfinanzielle Leistungsindikatoren im Lagebericht berichtet wird, muss eingeschränkt werden (Streichung des letzten Halbsatzes)
  • §§ 5 und 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG sowie die „Schwarze Liste“, § 3 Abs. 3 UWG sollen dahingehend konkretisiert werden, dass „wesentliche Merkmale einer Ware oder Dienstleistung“ auch die sozial- und Beschäftigungsbedingungen der Produktion sind. Dann ergäben sich einklagbare Auskunftsansprüche gegen die Unternehmen.
  • Wir fordern Verbraucher_innen-Verbände auf, im Hinblick auf unwahre Sozialberichterstattung von ihren Klagerechten aus §§ 5, 8 ff. UWG Gebrauch zu machen.
  • Wir regen eine Vernetzung mit umweltrechtlichen Aktivist_innen und Forscher_innen an zum Thema ethischer Konsum und Offenlegungspflichten von Unternehmen.

AG 5: Sexismus in der Werbung

Wir fordern:

  • eine Verbesserung der Regulierungspraxis des deutschen Werberates, insbesondere eine stärkere Ausdifferenzierung und konsequente Anwendung der Verhaltensgrundsätze für einen schnellen und nachhaltigen Schutz vor geschlechtsdiskriminierender Werbung,
  • die Aufnahme eines Verbots von geschlechtsdiskriminierender Werbung in einer neu zu schaffenden Norm im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG),
  • bis zu einer Neuregelung eine Auslegung der bestehenden Generalklausel (§ 3 UWG) im Lichte der Grundrechte und im Sinne der aktuellen CEDAW-Spruchpraxis zu diskriminierender Werbung.

AG 11: Das AGG vor Gericht - Probleme und Interventionsstrategien

  • In der juristischen Ausbildung als auch in verpflichtenden Fortbildungen für Richter_innen, Staatsanwält_innen und Rechtsanwält_innen sind Kenntnisse des Antidiskriminierungsrechts und des internationalen Menschenrechtsschutzes sowie Sensibilisierungsmaßnahmen zu Diskriminierung und Diversity als integraler Bestandteil zu verankern.
  • Das AGG sollte um eine echte Verbandsklage sowie eine gesetzliche Prozessstandschaft für Verbände ergänzt werden.
  • Notwendig sind die Stärkung und der Ausbau einer niedrigschwelligen, unabhängigen und flächendeckenden Beratungsinfrastruktur, gestützt durch einen Rechtshilfefonds.

Forum 1: Reproduktionsautonomie – Reproduktionszwänge

Wir fordern:

  • Bedingungen zu schaffen, die wirkliche reproduktive Selbstbestimmung ermöglichen. Dazu gehören zum Beispiel die bessere Unterstützung von Eltern behinderter Kinder, die Herstellung umfassender Barrierefreiheit, eine Änderung der Rahmenbedingungen für die tatsächliche Wahrnehmung der Rechte, auf pränatale Untersuchungen zu verzichten und alle Kinder austragen zu dürfen, die Bewusstseinsförderung über das Leben mit beeinträchtigten Kindern sowie die Aufklärung über Unterstützungsmöglichkeiten.
  • die Mutterschaftsrichtlinie dahingehend zu ändern, dass unabhängige Beratung von schwangeren Frauen vor der Durchführung vorgeburtlicher Untersuchungen als Leistungsangebot der gesetzlichen Krankenkasse aufgenommen werden.
  • die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Hinblick auf das Recht auf Familiengründung und Reproduktionsautonomie voran zu treiben. Dazu gehören etwa ein Teilhabegesetz, das Leistungen zur Eingliederung einkommens- und vermögensunabhängig gewährt; Assistenz für Eltern mit Beeinträchtigungen/unterstützte Elternschaft.
  • Bedingungen zu schaffen, unter denen sorgende Beziehungen grundsätzlich gesellschaftlich unterstützt werden (Kinder mit und ohne Beeinträchtigung, alte Menschen und kranke Angehörige etc.), und Benachteiligungen von Sorgenden abzubauen.

Forum 2: Sexarbeit, Zwangsprostitution, Menschenhandel – Welche rechtlichen Regelungen braucht es?

Wir lehnen Zwangsuntersuchungen ab und fordern eine flächendeckende, anonyme und kostenlose, akzeptierende Beratung, Untersuchung und ärztliche Behandlung von allen Personen in der Sexarbeit.

Forum 3: (Rechts-)Situation und soziale Absicherung von Arbeiterinnen in Privathaushalten

Die Arbeit in Privathaushalten ist eine gesellschaftliche Aufgabe und ist angemessen anzuerkennen.
Deshalb fordern wir:

  • Das Arbeitszeitrecht gilt auch für Live-Ins in Privathaushalten. Die Ausnahme im Arbeitszeitrecht § 18 Abs. 1 Nr. 3 Arbeitszeitgesetz ist eng auszulegen.
  • Eine effektive Rechtsdurchsetzung der Rechte von Hausangestellten (Verbandsklage, Ombudsstelle, Rechtshilffefonds) ist zu befördern.
  • Dienstleistungspools, die Hausangestellte sozialversicherungspflichtig anstellen, sollen gefördert werden und öffentlichen Kontrollmechanismen unterliegen.
  • Anmeldeverfahren zur Sozialversicherung für Hausangestellte auch oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze sind zu entbürokratisieren.
  • Das Recht auf Verständigung sollte umgesetzt werden durch z.B. die Einrichtung von einer flächendeckenden mehrsprachigen Onlineberatung. Arbeitgeber_innen müssen tatsächlich in der Muttersprache des/der Beschäftigten Informationen zu dem Arbeitsverhältnis bereit stellen.
Stellungnahmen des 39. Feministischen Juristinnentages

Fachstellungnahmen

Rrom_nja in Deutschland – Visumsfreiheit oder frei von Rechten

Aufgrund der historischen Verantwortung Deutschlands, des an den Roma und Sinti begangenen Völkermords und der andauernden rassistischen Stigmatisierung und strukturellen Diskriminierung aus den Herkunftsländern fordern wir:

  • Bleiberecht für alle Rrom_nja, die in Deutschland leben
  • Rückkehrrecht für freiwillig ausgereiste und abgeschobene Rrom_nja
  • Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bei Geltendmachung von Diskriminierung im Herkunftsland der Rrom_nja-Zugehörigkeit

Fachstellungnahme der AG „Rrom_nja in Deutschland“

Sorgerechtsverfahren – Sorgerecht und Sorgepflicht

  • Wir fordern die Abschaffung des Gesetzes zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern vom 16.4.2013. Zur Erlangung einer gemeinsamen elterlichen Sorge soll unter Anwendung der bestehenden materiellen und verfahrensrechtlichen Regelungen unter Beachtung der vom Bundesverfassungsgericht im Juli 2010 aufgestellten Kriterien entschieden werden.

      Das heißt:

  • Kein Wegfall der Amtsermittlung
  • Anhörung der Beteiligten sowie der Kinder
  • positive Kindeswohlprüfung
  • kein Schnellverfahre
  • keine Wertung des Schweigens der Kindesmittel als Zustimmung.
  • Das gemeinsame Sorgerecht setzt die Übernahme von materieller und immaterieller Sorgeverantwortung, sowie eine wertschätzende und respektvolle Kommunikation der Kindeseltern voraus.

Fachstellungnahme der AG Sorgerecht - Sorgepflicht

Gewalt gegen Frauen mit Behinderung

Die Studie zu „Lebenssituation und Belastung von Frauen mit Beeinträchtigung und Behinderungen in Deutschland“ zeigt, dass Frauen mit Behinderung überproportional betroffen sind von physischer, psychischer, sexualisierter Gewalt und struktureller Diskriminierung. Vorhandene Unterstützungssysteme sind nicht niedrigschwellig zugänglich, nicht zielgruppenorientiert, nicht barrierefrei im weiteren Sinn. Außerdem weisen die rechtlichen Schutzmechanismen Lücken auf.
Deshalb fordern wir:

  • Empowerment von Frauen mit Behinderung zur Förderung ihrer sexuellen Selbstbestimmung
  • Zielgruppenorientierte, niedrigschwellige Unterstützungsangebote
  • Erweiterung des Gewaltschutzgesetzes, damit auch Frauen in Einrichtungen Schutz gewährt werden kann
  • Sensibilisierung dahingehend, dass das AGG auch in Werkstätten für Menschen mit Behinderung (Mitarbeitende, Betreuende) Anwendung findet.

Fachstellungnahme der AG Gewalt gegen Frauen mit Behinderung.

Zur christlichen Dienstgemeinschaft

In Deutschland arbeiten ca. 1,3 Millionen Menschen bei Gesundheits- und Sozialdienstleistern, die den beiden großen christlichen Kirchen zugeordnet werden. Obwohl die meisten Einrichtungen aus Steuergeldern oder Sozialversicherungsbeiträgen finanziert werden, werden Mitarbeiter_innen unter Berufung auf das Kirchenprivileg und die daraus abgeleitete Dienstgemeinschaft diskriminiert, z.B. im Hinblick auf Religion, Herkunft, sexuelle Identität oder Beziehungs- und Familiengestaltung. Entsprechen der Berufsstereotypen arbeiten deutlich mehr Frauen (80%) im Sozial- und Gesundheitssektor (ausgenommen natürlich in den Leitungsebenen).

Wir fordern daher:

  • Die Abschaffung des verfassungsrechtlichen Kirchenprivilegs (Art. 140 GG i.V.m. Art 136 ff WRV (Weimarer Reichsverfassung)). Durch Art 4. des Grundgesetzes wird nicht nur die individuelle Religionsfreiheit, sondern auch die Freiheit der Institution der Religionsgemeinschaften ausreichend geschützt; gleichzeitig wird jedoch die Religionsfreiheit ins Verhältnis gesetzt zu anderen verbrieften Grundrechten.
  • Die Abschaffung des Art. 9 Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG); auch hier bietet Art. 8 AGG ausreichend Möglichkeiten das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und Religionsgemeinschaften zu gewährleisten, wenn die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt.
  • Die Vergabe öffentlicher Mittel einschließlich der Finanzierung durch Sozialversicherungsbeiträge muss abhängig gemacht werden von einer diskriminierungsfreien Einstellungspolitik und von der Gewährleistung der Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter_innen.

Fachstellungnahme der AG „Die christliche Dienstgemeinschaft als Ausdruck institutioneller Religionsfreiheit oder als Diskriminierung wegen der Religion, des Geschlechts und der Ethnie“

Internationale und europäische Menschenrechte

Internationale und europäische Menschenrechte und menschenrechtliche Verfahren (CEDAW etc.) sind als integrale Bestandteile sowohl in der juristischen Ausbildung – Universität, Rechtsreferendariat – als auch in verpflichtenden Fortbildungen für Richter_innen, Staatsanwält_innen, Rechtsanwält_innen und weiteren Rechtsanwender_innen zu verankern. Die juristische Aus- und Fortbildung ist um Sensibilisierungsmaßnahmen zu Ausschließungsmechanismen und Machtverhältnissen, u.a. Sexismus, Rassismus zu ergänzen. Zugängliche Informationen über und zu Menschenrechten und menschenrechtlichen Verfahren (internationale Abkommen, Spruchpraxis der Kontrollorgane etc.), sind insbesondere in den einschlägigen Standartwerken und Datenbanken bereitzustellen.

Fachstellungnahme der AG „Anwaltschaft für Menschenrechte und Vielfalt“ des 39.FJT

Zum Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz:

Die Aufnahme einer echten Verbandsklage in das Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), sowie eine gesetzliche Prozessstandschaft für Verbände. Notwendig ist darüber hinaus die Schaffung einer niedrigschwelligen, unabhängigen und flächendeckenden Beratungsinfrastruktur, gestützt durch einen Rechtshilfefond.

Fachstellungnahme des Forums Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

Rechte intersexueller Menschen anerkennen

Die Existenz intersexueller Menschen ist unstrittig, ebenso wie die intersexuelle Identität. Der FJT fordert deshalb:

  • Intersexuelle Menschen müssen in den uneingeschränkten Genuss der Grundrechte, insbesondere des Selbstbestimmungsrechts hinsichtlich der Geschlechtsidentität und der körperlichen und seelischen Integrität kommen.
  • Eingriffe in die Geschlechtlichkeit eines Kindes und die Entfernung hormonproduzierender Organe sind solange zu unterlassen, bis das Kind eigenverantwortlich über seine Geschlechtsidentität und seine körperliche Unversehrtheit entscheiden kann.
  • Der Geschlechtseintrag im PStG ist abzuschaffen. Bis zur Abschaffung der Eintragung sollen Menschen selbst bestimmen können, in welchem Personenstandsgeschlecht sie leben möchten. Ein solches Personenstandsgeschlecht kann auch "intersexuell" o.ä. sein. Dies erfordert auch die Möglichkeit der unproblematischen Änderung des Geschlechtseintrags. Eine Zuweisung eines Menschen in einen Personenstand, der nicht seiner Selbstdefinition entspricht, ist unzulässig.

Fachstellungnahme der AG Selbstbestimmungsrecht im Personenstandsgesetz

Effektive rechtliche Bekämpfung sexualisierter Gewalt

Wie in Norwegen sollte auch nach deutschem Recht neben der vorsätzlichen auch die fahrlässige Vergewaltigung und sexuelle Nötigung strafbar sein.

Der Grundtatbestand von § 177 StGB ist dahin zu ändern, dass sexuelle Handlungen gegen oder ohne den Willen der betroffenen Person ausreichen. Gewalt, Drohung oder das Ausnutzen einer schutzlosen Lage sind als Tatbestandsmerkmale zu streichen.

Für die Strafverfolgung von Sexualdelikten sind bei Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichten spezielle Zuständigkeiten vorzusehen.

An der Strafverfolgung von Sexualdelikten beteiligte Angehörige von Polizei und Justiz unterliegen einer entsprechenden Fortbildungspflicht und sollen sich an Coachings beteiligen und regelmäßiger Supervision unterziehen.

Die Zulässigkeit der Nebenklage ist in Verfahren gegen Jugendliche auch bei Vergehen vorzusehen, nicht nur bei Verbrechen.

Die Rechte der verletzten Person sind im Strafverfahren wegen Sexualdelikten praktisch wirksam zu machen. Bestehende Gesetze sind effektiv anzuwenden.

Verfahren wegen Sexualdelikten müssen beschleunigt werden, sowohl auf der Ebene der Staatsanwaltschaft als auch der Ebene der Gerichte.

Verletzte sind von Beginn des Ermittlungsverfahrens an angemessen über ihre Rechte zu informieren.

Es ist ein Rechtsanspruch auf kostenlose anonyme Spurensicherung gesetzlich vorzusehen.

Neben der Nebenklage sollte es einen Rechtsanspruch auf psycho-soziale Prozessbegleitung für Verletzte in Strafverfahren wegen Sexualdelikten geben.

Die Tendenz der Gerichte, in Strafverfahren wegen Sexualdelikten fast ausnahmslos aussagepsychologische Gutachten über die Verletzten einzuholen, statt selbst in der Beweiswürdigung tätig zu werden, besorgt. Überdies genügen diese Gutachten oft nicht mehr den aktuellen wissenschaftlichen Standards; bspw. beziehen sie keine Erkenntnisse der Traumaforschung mit ein.

Die Auslegung von § 177 StGB in seiner derzeitigen Fassung ist zu ändern.

Vorhergehende Misshandlungen, auch wenn sie nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit sexuellen Übergriffen stehen, schaffen ein Klima der Angst, das eine Drohung iSv § 177 I Nr. 2 StGB darstellt.

Das Vorliegen einer schutzlosen Lage ist aus subjektiver Perspektive festzustellen.

Eine sog. intime Vorbeziehung schließt das Vorliegen des Regelbeispiels aus § 177 II StGB (Vergewaltigung) nicht aus.

Fachstellungnahme des Forums „Effektive rechtliche Bekämpfung sexualisierter Gewalt“

Beschluss über eine neue Einladungspolitik des Feministischen Juristinnentages

(39. FJT, Berlin 2013)

Der FJT ist offen für alle Frauen, alle, die sich als Frauen fühlen und alle, die sich keinem der herkömmlichen Geschlechter zuordnen können oder wollen.

Stellungnahmen des 38. Feministischen Juristinnentages

Fachstellungnahmen

Bremen den 13. Mai 2012, Beschlüsse des Abschlussplenums

Eingebracht von der AG 7 „Auswirkungen der FGG-Reform auf das Sorge- und Umgangsrecht“: 

Auf dem Hintergrund, dass nach § 3 GewSchG das Gewaltschutzgesetz keine Anwendung findet, wenn die Gewalt vom Sorgeberechtigten ausgeht, die Eingriffsschwelle des § 1666 BGB aber wesentlich höher liegt, fordert der FJT: 

  • Streichung des § 3 Gewaltschutzgesetz.

Aus aktuellem Anlass hat eine Gruppe im Zwischenplenum folgende Resolution erarbeitet: 

  • Der FJT unterstützt die Europäischen Aktionstage „Blockupy Frankfurt“ vom 16.-19. Mai und wendet sich gegen die Kriminalisierung der Proteste.
  • Des Weiteren wird die Rücknahme der Verbote durch die Stadt Frankfurt und die Gewährleistung von Demonstrations- und Meinungsfreiheit gefordert.
Stellungnahmen des 37. Feministischen Juristinnentages

Fachstellungnahmen

Frankfurt den 08.Mai 2011, einmütige Beschlüsse des Abschlussplenums

„Bei Vergewaltigungen raten wir von Strafanzeigen ab !“ Aktuelle Themen der Nebenklage

Wir stellen eine veränderte öffentliche Betrachtung von Vergewaltigungsfällen fest, vergewaltigten Frauen mir mit sich verstärkenden Vorbehalten begegnet. Verstärkt wird die „falsche Verdächtigung“ thematisiert, die „vorsätzliche oder grob fahrlässige“ falsche Aussage. Die Behauptungen werden ohne repräsentatives Zahlenmaterial, ohne dass eine Untersuchung erfolgt ist, erhoben.
Dem müssen wir mit einer verstärkten, zielgerichteten Öffentlichkeitsarbeit entgegenwirken. Einer Öffentlichkeitsarbeit, die auch Richterinnen und Richter erreicht.
Wir haben diskutiert, ob die Bildung von auf Sexualdelikte spezialisierte Strafkammern und verpflichtende Fortbildungen von Richterinnen und Richter zu der besonderen Thematik „Sexualdelikte/Vergewaltigung“ zu einer verschärften, d.h., genaueren Betrachtung der Problematik und sachgerechten Behandlung dieser Verfahren im Strafprozess beitragen kann, um vorschnellen (freisprechenden) Urteilen vorzubeugen.
Wir meinen auch, dass eine weitergehende Professionalisierung der Beweissicherung nötig ist. Ein erster Anfang ist u.a. in Hessen mit (ärztlichen) Untersuchungsfragebögen zur Befunderhebung gemacht. Ein Erfassungsbogen (mit knapp 200 Fragen), der nach jahrelanger Vorarbeit der Frauennotrufe, in Hessen über das Ministerium an Krankenhäuser und Arztpraxen ausgegeben wurde und verpflichtend genutzt werden soll, um „Beweismittel und Spuren“ objektiv und gerichtsverwertbar zu sichern.
Von einer weitergehenden Professionalisierung der Beweissicherung versprechen wir uns eine gesicherte, unantastbare Beweislage. Es wäre auch daran zu denken, die PDVs ( Polizei-Dienstvorschriften) entsprechend anzupassen.
Vor einer Professionalisierung der psychosozialen Begleitung versprechen wir uns, eine – soweit in den Umständen möglich – eine psychisch-stabile Zeugin, auf deren Aussageverhalte nicht eingewirkt wurde. Und die nicht durch die Betreuung zusätzlich verängstigt wird.

Wir fordern:

  • Die Gleichstellung der Rechte der Nebenklage mit denen der Verteidigung, insbesondere was die Anwesenheit angeht, um für die Zukunft zu verhindern, dass die Nebenklage durch die Terminkollision ausgehebelt wird.
  • Die Beteiligung an verfahrensbeendenden Absprachen (dem Deal) und allen Verfahrenseinstellung.
  • Wir fordern die Streichung der Rechtsmittelbeschränkung der Nebenklage in der StPO
  • Wir beantworten die Frage: Raten wir bei Vergewaltigung generell von Strafanzeigen ab, mit NEIN. Schon um nicht an einer Verschleierung und Erhöhung der Dunkelziffer bei Vergewaltigung mitzuwirken.

Annahme: ja mit 2 Enthaltungen


Resolution Forum 2 – Gender Pay Gap

Der 37. feministische Juristinnentag fordert:

  • Einführung eines Klagerechts für die Antidiskriminierungsstelle bei mittelbarer Diskriminierung
  • die Einführung eines Verbandsklagerechts im Bereich der Entgeltdiskriminierung
  • ein Gesetz zur effektiven Durchsetzung der Entgeltgleichheit
  • Änderung des HGB, sodass im Geschäftsbetrieb eines Unternehmens in anonymisierter Form die Entgeltstrukturen in Unternehmen für die verschiedenen Ebenen nach Männern und Frauen getrennt ausgewiesen werden müssen
  • die Einführung eines allgemeinen, branchenübergreifenden Mindestlohns

Arbeitsarrangements und Rückkehrrechte: Neue Impulse durch die Mutterschutz- und Elternzeitrichtlinie zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf?

Der 37. FJT fordert den Gesetzgeber auf, die EU-Richtlinie 2010/18 zum Elternabend fristgerecht umzusetzen und dabei insbesondere Möglichkeiten zur Durchsetzung von Arbeitsarrangements unabhängig von der Arbeitszeitsreduzierung zu schaffen.

Annahme mit 3 Enthaltungen

Stellungnahmen des 36. Feministischen Juristinnentages

Fachstellungnahmen

zur aktuellen Diskussion um Gewalt in Institutionen, Köln den 2. Mai 2010, einstimmiger Beschluss des Abschlussplenums

Vorbemerkungen
Vor über 30 Jahren hat die Frauenbewegung eine Diskussion über interpersonale Machtverhältnisse und Gewalt angestoßen. Diese gewinnt aufgrund der Vorkommnisse in der Odenwaldschule und kirchlichen Einrichtungen wieder an Aktualität und Richtigkeit.
Betroffen von patriarchalen, männerdominierten Machtverhältnissen sind demnach nicht nur Frauen, sondern auch Kinder. Eine besondere Gefahr gewalttätiger Übergriffe besteht in familiären und hierarchischen Abhängigkeitsverhältnissen, wo 90% der sexualisierten Gewalttaten stattfinden – ganz überwiegend mit Mädchen als Opfer der Übergriffe.
Als Antwort auf diese Erkenntnisse und Erfahrungen sind schon vor 30 Jahren Frauen- und Mädchenberatungsstellen gegründet und institutionalisiert worden, die über wertvolles Fachwissen und Kompetenzen bei der Prävention von und der Intervention gegen Gewalt verfügen. Diese Ressource muss in der jetzigen Diskussion genutzt und gestärkt werden.

Wir fordern, dass diese erfahrenen Beratungsstellen dauerhaft finanziell abgesichert und bedarfsgerecht ausgebaut werden. Deren Fachfrauen sind am Runden Tisch prominent zu beteiligen. Sie sollten vom „Runden Tisch gegen Kindesmissbrauch“ beauftragt werden, Mindeststandards für öffentlich geförderte Einrichtungen zu entwickeln.

Darüber hinaus fordern wir:

1.
Ein subjektiver Rechtsanspruch der Betroffenen auf die notwendige und gewünschte Unterstützung muss rechtlich etabliert werden
Gedacht ist zum Beispiel an ein Recht auf:

  • Aufklärung und umfassende Dokumentation des Sachverhalts,
  • Beratung und Therapie,
  • alle subjektiv erforderlichen Formen der Wiedergutmachung – wie z.B. ein Gespräch mit dem Täter,
  • Leistungen zur Wiedergewinnung von Lebensfreude.

2.
Zur Finanzierung dieses Rechtsanspruchs wird ein Fonds eingerichtet,
der gespeist wird aus:

  • einer Umlage, in die entsprechende Institutionen, insbesondere solche, die mit Wohnangeboten für Minderjährige und Erwachsene verbunden sind, einzahlen,
  • Geldstrafen und Geldbußen als Folge von Gewaltdelikten.

3.
Institutionelle Garantien sind zu formulieren
Institutionen, in denen ein besonderes Risiko des Machtmissbrauchs besteht, müssen geeignete Maßnahmen ergreifen, um Gewalt zu verhindern und eine frühzeitige und umfassende Aufklärung von Übergriffen zu ermöglichen. Denkbare Formen sind:
Rotes Telefon, Ombudspersonen, Einbeziehung von erfahrenen Beratungsstellen, Dokumentation der ergriffenen Maßnahmen.
Die Institutionen müssen durch Vorgaben für die Qualifikation des Personals, Auflagen bei der Betriebserlaubnis, die Heimaufsicht sowie Finanzierungsvorbehalte bei Zuwendungen und Leistungsverträgen kontrolliert werden.

4.
Aus- und Weiterbildungscurricula müssen das Thema Gewalt aufgreifen
Verbindliche Aufnahme von Erkenntnissen über sexuelle und körperliche Gewalt sowie Vermittlung von Handlungskompetenz in Aus- und Fortbildung von Polizei, Justiz sowie sozialen, pädagogischen und medizinischen Berufen.

5.
Forderungen zum Strafverfahren und Strafrecht
Korrektur nachteiliger Entwicklungen z.B.:

  • in der Rechtsprechung zum Fortsetzungszusammenhang und zu Glaubhaftigkeitsgutachten (sog. „Nullhypothese“),
  • Wiederherstellung der Rechtsmittelbefugnis der Nebenklägerin und der
  • Nebenklagebefugnis bei Beleidigung.
  • Ausschöpfen vorhandener rechtlicher Möglichkeiten, wie z.B.
  • Ermittlungen wegen unterlassener Hilfeleistungen und
  • Unterlassungsdelikten aufgrund von Garantenpflichten bei Verstoß gegen institutionelle Sorgfaltspflichten.
  • Gesetzliche Neuregelungen:
  • Zustimmungspflicht der Verletzten bei Einstellungen nach §§ 153 StPO,
  • Überprüfung der Angemessenheit sexualstrafrechtlicher Vorschriften und Verjährungsregelungen im Lichte der jüngsten Vorfälle z.B. bezüglich der Strafbarkeit sexualisierter Übergriffe.
Stellungnahmen des 35. Feministischen Juristinnentages

Resolutionen

Inklusion statt Integration

Der Nationale Integrationsplan, dessen 1. Fortschrittsbericht dieses Jahr erschien, basiert auf zwei problematischen Konzepten: Nation und Integration. Beide Begriffe setzen ein homogenes, statisches Konzept von Mehrheitsgesellschaft voraus und formulieren im Ergebnis eine Bringschuld der Migrantinnen und Migranten, ohne den Rassismus und Sexismus als gesamtgesellschaftliche Strukturmechanismen zu thematisieren.

Gleichzeitig werden Migrantinnnen und Migranten als anders und spezifisch problembehaftet homogenisiert und stigmatisiert, z.B. durch die Form der Thematisierung von Gewalt gegen Frauen in Privatbeziehungen. Wie die repräsentative Gewaltstudie der Bundesregierung aus diesem Jahr aber zeigt, ist dies ein Phänomen, das in allen gesellschaftlichen Gruppen und Schichten vorkommt. Es kann daher nur darum gehen, auf der Basis von Menschenrechten die gleiche Teilhabe und Erweiterung von Handlungsmöglichkeiten aller Frauen (und Männer) in dieser Gesellschaft zu erreichen und Barrieren zu beseitigen.

Dies bedeutet für uns, anhand folgender Rechte diese Forderungen zu formulieren:

  • Freizügigkeit für alle – Wegfall der Residenzpflicht;
  • Bildung für alle – keine Meldepflichten für Schulen etc. Kostenlose Sprachkurse für alle, kein Sprachnachweis vor der Einreise (erleichterte), Anerkennung ausländischer Bildungsab
  • Teilhabe für alle – aktives und passisves Wahlrecht, zumindest auf kommunaler Ebene, Programme und Strategien zur Verbesserung der Repräsentation in Gesellschaft und (Rechts-)Wissenschaft, z. B. positive Maßnahmen, Zusammenarbeit mit MSDs, erleichterter Zugang zur deutschen Staatsangehörigkeit;
  • Freiheit von Gewalt für alle – unabhängiger Aufenthaltstitel für nachziehende Ehe- und Lebenspartner-innen, bedürfnisorientierter und effektiver Zugang zu Beratung und Schutz;
  • Gesundheit für alle – freier Zugang zu Gesundheitsdiensten unabhängig vom Aufenthaltsstatus;
  • Gleichheit in der Existenzsicherung – Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes;
  • Freies Geleit in allen Justiz- und Verwaltungseinrichtungen, kein Melderecht an die Ausländerbehörden.

Reform des Transsexuellengesetzes

Aus Anlass der anstehenden Reform des Transsexuellengesetzes kritisiert der 35. Feministische Juristinnentag die Pathologisierung von Lebensweisen und Geschlechtsidentitäten, die von herrschenden Geschlechtsnormen abweichen. Krank sind nicht die Personen, die nach ihren eigenen Entwürfen leben wollen, sondern Verhältnisse, die nicht über zwei Grundmodelle hinausdenken können. Wir weisen solche binären Logiken zurück und kritisieren die massiven Einschnitte in Körper, Persönlichkeitsrechte und die sexuelle Selbstbestimmung, um eine solche Geschlechterordnung aufrecht zu erhalten. Es reicht keinesfalls aus, „Betroffenengruppen“ in die bestehende Geschlechterordnung „toleranzpluralistisch“ zu integrieren und beim Erstreiten eines weniger martialischen Transsexuellengesetzes stehen zu bleiben. Emanzipatorische Ansätze verfolgen das Ziel, Normierungslogiken und mit solchen Differenzziehungen verbundene Ein/Ausgrenzungsstrukturen zu überwinden. Denn die Art und Weise, wie ich mich entscheide, mein Leben zu gestalten, findet in machtvollen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen statt. Diese einfach auszublenden und eine individuell verantwortete Selbstbestimmung auszurufen, greift zu kurz.

Ziel ist es, rechtliche und gesellschaftliche Verhältnisse zu schaffen, in denen Menschen real und nicht nur auf dem Papier und im Rahmen von zwei starren Modellen ihre Lebensweise selbst bestimmen können – das ist unter einem gehaltvollen Persönlichkeitsrecht zu verstehen.

Internetdatenbank mit Urteilen zum AGG

Der 35. Feministische Juristinnentag fordert die Bundesregierung auf, in einer zentralen und barrierefrei zugänglichen Datenbank alle rechtlichen Grundlagen zum Schutz vor Diskriminierung und alle hierzu ergangenen Entscheidungen zu veröffentlichen und diese allgemein bekannt zu machen.

Als Vorbild könnte die entsprechende Internetplattform der Gleichstellungsbüros in der Deutschschweiz dienen: www.gleichstellungsgesetz.ch.